Morbus Dei: Im Zeichen des Aries: Roman (German Edition)
aufzuhalten war“, sagte von Freising. „Es ist kein vollständiges Heilmittel, aber es mindert die Symptome und erlaubt es den Kranken offenbar, eine angemessene Zeit im Sonnenlicht zu verbringen.“
„Und wo ist dieses Mittel zu finden?“
Von Freising zögerte. „In Tyrol. Im Kloster zu Altmarienberg.“
„Bei Abt Bernardin?“ Johann verstand die Welt nicht mehr. Was hatte das Kloster, in dem er aufgewachsen war, mit der Krankheit zu tun?
„Die Mönche oberhalb des Dorfes, die damals die kranken Kinder aufnahmen, haben nicht nur die Auswirkungen der Krankheit dokumentiert, sondern waren auch auf der Suche nach einem Heilmittel. Auf den letzten Seiten des Buches haben sie ihre Erfahrungen niedergeschrieben, ihre kleinen Erfolge, aber auch die vielen Rückschläge.“
Die letzten Seiten … Johann erinnerte sich an das Buch, das Elisabeth in Bichters Sakristei gefunden hatte und das die Krankheit der Ausgestoßenen in allen Einzelheiten beschrieb.
Das Buch mit dem Titel Morbus Dei .
Er erinnerte sich auch, wie sie das Buch durchgeblättert und entdeckt hatten, dass die letzten Seiten fehlten.
„Als die Dorfbewohner dann das Kloster stürmten“, fuhr von Freising fort, „fürchtete man, dass auch das Buch vernichtet werden würde, und so hat ein gewisser Bruder Baltasar die Seiten herausgeschnitten und sie heimlich an einen sicheren Ort gebracht. Nach Altmarienberg. Die Kapuziner haben seit jeher die größte Erfahrung mit der Pflege von Kranken, da war es naheliegend, dass sie sich auch dieser besonderen Krankheit widmeten. Es hieß, man habe die einzelnen Ingredienzen aufeinander abstimmen können. Und da Bruder Baltasar ebenfalls die Krankheit in sich trug, konnten sie deren Auswirkungen bis zu seinem viel zu frühen Tode erheblich lindern.“
„Und warum hat man die Arznei dann nicht zurück zu den Ausgestoßenen gebracht, um auch ihr Leid zu lindern?“, fragte Johann zornig.
„Es kam die Weisung von höchster Stelle, nicht in dieses Werk Gottes einzugreifen, da es sich womöglich um eine Prüfung handle. Das Wissen darüber wurde mit Verschwiegenheit versiegelt, wie so oft.“ Von Freising rieb sich den schmerzenden Stumpf.
Gedanken wirbelten durch Johanns Kopf. „Aber das würde ja bedeuten –“
„Versprich dir nicht zu viel davon, noch wissen wir gar nichts“, schwächte von Freising ab. „Und wir haben das Heilmittel noch nicht.“
„Ich hole es, nachdem ich Elisabeth befreit habe.“
Von Freising schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, dann ist es zu spät. Du hast gesehen, wie die Dominikaner in Wien gewütet haben. Sie werden alles, was mit der Krankheit zusammenhängt, vom Erdboden tilgen. Das betrifft die Kranken – und das betrifft auch das Heilmittel.“
„Aber warum?“, fragte Johann. „Und warum jetzt?“
„Wer weiß? Vielleicht haben die Herren unserer Kirche nun beschlossen, dass die Krankheit ein Zeichen des Bösen ist, so wie Bernardus? Letzen Endes ist es müßig, nach dem Grund zu fragen, es zählt nur, dass es geschieht“, sagte von Freising. Er blickte Johann eindringlich an. „Deshalb musst du zuerst nach Altmarienberg. Du kennst den Weg, du kennst das Kloster. Rette die Aufzeichnungen und befreie dann Elisabeth.“
Johann schüttelte den Kopf. „Erst Elisabeth. Dann das Heilmittel.“
„Versteh doch, dann ist es vielleicht zu spät“, beschwor ihn von Freising.
Johann starrte an die weißgekalkte Wand hinter dem Jesuiten. Jede Faser seines Körpers sträubte sich dagegen, er wollte hinter Elisabeth her, jetzt sofort. Aber er wusste auch, dass von Freising recht hatte – das Heilmittel war die einzige Chance auf ein Leben ohne die Bürde der Krankheit. Für Elisabeth und für ihr gemeinsames Kind. Und wenn die Schwarze Garde bereits auf dem Weg nach Tyrol war, dann würde wahrscheinlich auch jemand hinter den Aufzeichnungen her sein.
Handle weise.
Abt Bernardins Worte.
„Warum könnt Ihr nicht nach Altmarienberg reisen, Pater?“
Von Freising hielt Johann seinen Armstumpf entgegen. „Wie schnell, glaubst du, werde ich hiermit reiten können? Ich bin mir nicht einmal sicher, ob du es rechtzeitig schaffst.“
„Gut, dann schicke ich den Preußen. Er wird das Kloster noch rechtzeitig erreichen, während ich –“
„Johann“, unterbrach ihn von Freising mit sanfter Stimme, „die Mönche in Altmarienberg vertrauen dir, immerhin haben sie dich großgezogen. Wenn, dann werden sie nur dir die Seiten aushändigen. Vertrau mir.“
Johann
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