Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
der in seinem kalten Grab liegt, zumindest seine sterbliche Hülle. Immer wieder muss ich Tränen zurückhalten, wenn mir bewusst wird, dass ich ihn nie wieder sehen werde. Dass seine Hand nie wieder liebevoll über meine Wangen streichen wird, dass seine Worte keinen Trost mehr spenden können.
Ich hatte ihn doch so lieb.
Ruhe in Frieden.
XVI
„Wenn wir uns beeilen, kommen wir heute noch zur Teufelsbrücke, und dann ist es nicht mehr weit bis Lienz“, sagte Burkhart. „Von da an wird’s leichter.“
Er, Johann und von Freising gingen der Gruppe voraus, dahinter ritt Elisabeth, fast unerkennbar im Lederumhang und dem tief ins Gesicht gezogenen Hut. Die anderen Pilger folgten ihr. Am Schluss der Reisenden stapfte Basilius, stumm wie immer.
Es war der erste schöne Tag, seit sie Innsbruck verlassen hatten. Der Himmel war leicht bedeckt, der Schnee glitzerte in den Sonnenstrahlen. Der Weg führte beinahe schnurgerade durch die Talsohle, die Bergketten links und rechts ragten steil empor.
Johann sah Burkhart von der Seite her an, er konnte ihr Glück immer noch nicht fassen. Dass sie von Metz und seine Gruppe getroffen hatten, war die beste Tarnung, die man sich wünschen konnte. Der Name dieses Pilgers war legendär, jeder im Reich und darüber hinaus kannte seine Geschichte: der furchtlose Ordensritter, der in vielen Kämpfen das Abendland verteidigt hatte, zuletzt gegen die Türken vor Wien. Der dann des Tötens müde geworden war und beschlossen hatte, seine Seele ganz dem Herrn zu widmen. Seitdem war er unterwegs, war unzählige Male zu den heiligen Stätten des Christentums gepilgert.
Wenn Könige und hohe Adelige sich auf den Pilgerweg machen wollten, fragten sie den starken und gottesfürchtigen von Metz, denn es gab keinen besseren Führer zu den heiligen Stätten.
Allerdings schien der Rest der Gruppe nicht von Metz’ Größe zu teilen, fand Johann. Einige der Pilger waren mit Burkharts Entscheidung, Johann und die anderen mitzunehmen, nicht einverstanden. Sie sagten nichts, aber Johann konnte ihre misstrauischen Blicke spüren, und er hoffte nur, dass keiner der Männer auf dumme Gedanken kam und einem Kontrollposten einen Hinweis gab. Zum Glück hatten die Pilger einen Heidenrespekt vor Burkhart, sie würden sich hüten, ihn zu verärgern.
Etwas wusste Johann allerdings sicher: Sollte es auf der Reise gefährlich werden, war kein Verlass auf die frommen Pilger, jeder würde nur seine eigene Haut retten wollen und für niemanden einstehen. Diese Einstellung hatte Johann immer wieder bei Männern der Kirche bemerkt, und er war froh, dass es auch solche wie von Freising und Burkhart gab – Soldaten Gottes, die für die Menschen einstanden.
Johann riss sich aus seinen Gedanken und blickte zurück. Die Gruppe war allein auf der Strecke, dies war offenbar der einsamste Abschnitt des Tales. Ihre Schritte knirschten im Schnee.
Von Freising sah zu Burkhart. „Bruder von Metz, was ist der heiligste Ort, an dem ihr je wart?“
Burkhart blickte in die gleißende Landschaft. „Eine gute Frage, Bruder … ich bin fast überall gewesen, wie ihr vermutlich wisst. Ich habe mir den Sand vor den Toren von Jerusalem aus den Augen gewischt und habe in den heiligen Mauern von Rom gebetet. Aber nichts ist wie die Abenddämmerung in Santiago de Compostela, wenn die letzten Sonnenstrahlen der Kathedrale einen blutroten Glanz verleihen und die Glocken die Gebetsnacht einläuten.“ Seine Stimme, die gewöhnlich sehr beherrscht war, wurde schwärmerisch. „Das Pórtico de la Gloria, der goldene Baldachin über der Gruft mit dem Silberschrein, das goldene Kruzifix mit dem Splitter vom Kreuz des Herrn – es gibt nichts Vergleichbares.“ Er sah seine Begleiter an. „Kennt ihr die Geschichte des Ortes?“
Von Freising nickte. „Natürlich. Der Apostel wurde enthauptet, seine Jünger übergaben den Leichnam einem Schiff ohne Besatzung, welches dann auf wundersame Art in Spanien anlegte.“
„Eine schöne Geschichte“, sagte Johann verhalten.
Burkhart musterte ihn scharf. „Die Geschichte war immerhin für unzählige Gläubige Grund genug, die Kathedrale aufzusuchen. Und sie war für große Männer wie Heinrich den Löwen, Franz von Assisi und El Cid gut genug, nach Santiago zu pilgern. Sie ist sogar –“, er deutete auf die Gruppe hinter sich, „für die feinen Bürschchen da gut genug gewesen, die ich jetzt wieder zu ihren Schlössern heimbringe.“
„Haben sie ihre Sünden auch brav in Spanien gelassen
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