Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
wie die Waschweiber.“
Die Gestalt zuckte zusammen, dann erhob sich der Mann langsam. Er war einen guten Kopf größer als Johann, durch seine kurzgeschorenen Haare blitzten an vielen Stellen kleinere und größere Narben durch. Eine führte von seiner linken Wange direkt ans Ohr, durchdrang es und setzte sich am Hinterkopf fort. Die Kleidung des Mannes war schlicht, aber verhältnismäßig sauber, und sein Blick stolz. Er machte einen Schritt auf Johann zu, so bestimmt, dass die Vagabunden zur Seite wichen.
„Und die Tiroler sollen sich ja auch so anziehen“, gab er knurrend zurück. Die anderen traten noch weiter zurück, erwarteten einen wüsten Streit
Plötzlich lachten der Mann und Johann herzhaft los. Die Wachen nahmen nur kurz von den beiden Notiz, kümmerten sich aber nicht weiter.
„Johann, Mensch, was machst denn du in Wien?“ Der Mann drückte sich gegen die Gitterstäbe.
„Red leiser, Preuße“, Johann senkte die Stimme. „Wir sind nur auf der Durchreise, bleiben aber ein paar Tage.“
„Wir?“ Der Preuße wurde hellhörig.
Johann deutete mit dem Kopf zu Elisabeth, die weiter hinten wartete.
„Hat’s also doch mal eine bei dir geschafft, was?“ Der Preuße grinste breit. „Ihr könnt natürlich bei mir und meiner Holden bleiben, wenn ihr noch nichts habt.“
„Ich hab gehofft, dass du das sagen würdest. Aber bei dir daheim waren wir schon. Da ist niemand.“
„Weil mein redliches Weib nachmittags und abends ausschenkt. Im Bierhaus „Zur Schnecke“. Wenn du reinkommst, musst du dich nur umschaun nach der Kellnerin mit den größten – Augen.“ Er zwinkerte Johann zu. „Hinkommen tust auch leicht, einfach dort drüben die Tuchlauben rauf und bei der Gabelung links halten. Dann siehst du schon den Rohbau von einer Kirche, ihr zugewandt ist die „Schnecke“. Und, Johann –“
Der Preuße beugte sich näher zu Johann, flüsterte ihm etwas ins Ohr. Johann nickte grinsend. „Dank dir. Und wann kommst du hier raus?“
„Naja, der Sauhund von Stadtguardialeutnant hat nichts gegen mich in der Hand, also morgen, spätestens übermorgen, würd ich sagen.“
„Alles klar. Na dann“, Johann deutete einen Salut an.
„Weitermachen!“, knurrte der Preuße militärisch und grinste Johann hinterher.
Elisabeth wartete bereits ungeduldig, als Johann auf sie zukam. „Und? Was hat er gesagt?“
„Brauchst dir keine Sorgen machen, alles geregelt. Wir treffen jetzt seine Frau Gemahlin.“
„Und wo?“
„In einem Wirtshaus.“
Elisabeth warf ihm einen vielsagenden Blick zu, er lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein, nein, sie bedient dort.“
XXXIII
Die letzten Strahlen der Abendsonne ließen das goldene Kreuz an der Spitze des Jesuitenklosters erstrahlen. Arbeiter kletterten behände von den beiden turmartigen Baugerüsten, die an die Front der Kirche grenzten. Als die Männer sicheren Boden unter den Füßen hatten, machten sie sich sofort auf, das Kloster zu verlassen und den Tag beim Wirt ausklingen zu lassen.
Konstantin von Freising kniete in seiner kargen, fensterlosen Kammer und beendete sein Abendgebet.
„Omnia Ad Maiorem Dei Gloriam.“ Er bekreuzigte sich.
Von Freising wusste, dass er einen arbeitsreichen Abend vor sich hatte. Wann immer er von seinen zahlreichen Rundreisen nach Wien zurückgekehrt war, verbrachte er die ersten Tage alleine im stillen Gebet und reflektierte das Erlebte.
Versuchte zu erkennen, zu erklären. Zu filtern. Denn er wusste nur zu gut, wie gerne manch hoher Geistlicher nur das hören wollte, was ihm selbst zu Höherem gereichte, und anderes, vielleicht Plausibleres, völlig ignorierte.
Immer musste sich von Freising die Frage stellen, für welches höhere Gut er berichtete: für das Seine, oder für das seine. Daher verstand er sich darauf, manches zu beschönigen, manches zu verharmlosen, und manches einfach wegzulassen.
Als er damals erfahren hatte, dass er auf seiner nächsten Reise einen Novizen mitzunehmen hatte, war er anfangs mehr als skeptisch gewesen. Waren die Strapazen des Reisens alleine schon groß genug, so hatte er jetzt zusätzlich auf einen Frischling aufzupassen. Einen Frischling, der noch dazu seine eigenen Eindrücke wiedergeben würde, unbedacht, ungefiltert.
Dass ihm Basilius nicht sonderlich sympathisch war, als er ihm das erste Mal gegenüberstand, hatte seine Laune nicht gebessert. Dass der Novize aber ein Schweigegelübde abgelegt hatte, schon. So schlimm konnte die Reise also nicht werden.
Und heute
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