Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
so geräuschlos wie nur möglich zugleiten. Jetzt war es stockdunkel, nur durch einige Spalten in den Bodenbrettern fiel Licht.
Dann polterten Tritte über ihnen, der Boden bebte, feiner Staub rieselte herunter.
Elisabeth tippte Josefa auf die Schulter und zeigte auf die Tür hinter ihnen. Josefa schüttelte den Kopf. „Die knarrt wie verrückt“, flüsterte sie. „Der Heinz wollte sie schon lang schmieren. Vergiss es.“
Auf einmal fiel Elisabeth das Atmen schwer, sie fühlte sich wie in einer Falle. Jedes Geräusch von oben hallte in ihren Ohren.
Das Umherschreiten im Raum.
Das Öffnen einer Truhe.
Das Niederknien an der Bank.
Das Zerschellen eines Tonkruges.
Josefa legte einen Arm um Elisabeths Schulter, als ob sie ihre Angst spüren könnte. „Keine Sorge“, flüsterte sie, „die finden uns nicht.“
Elisabeth glaubte ihr nicht, aber das beklemmende Gefühl war nicht mehr ganz so stark.
Schritte kamen wieder die Treppe heruntergelaufen. Staub rieselte. „Oben ist niemand.“
Plötzlich fühlte Elisabeth einen Niesreiz in sich aufsteigen, sie schloss die Augen.
Nicht jetzt!
Sie wollte den Reiz unterdrücken, presste die Hand vor Mund und Nase, aber es nützte nichts – sie musste niesen.
Josefa blieb das Herz stehen.
Oben war es still.
„Haben Sie das gehört?“, fragte schließlich einer der Männer.
„Schnauze!“, maßregelte ihn die raue Stimme.
Wieder Stille. Dann näherten sich Schritte der Luke.
Jetzt haben sie uns.
Plötzlich drang ein lautes Platschen von draußen herein. Die Schritte entfernten sich.
„Kippst du Drecksmensch immer deine Scheiße in den Vorhof anderer Leut?“, dröhnte draußen die raue Stimme.
Ein unverständliches Gekeife war die Reaktion.
„Wenn ich dich noch einmal seh, kannst am Pranger weiterkeifen, altes Weib!“
Fensterläden knallten.
Gerettet. Von der alten Vettel.
Schritte kamen vom Hof wieder ins Haus. „Wir rücken ab. Ihr zwei bleibt im Innenhof postiert, sollten die Weiber zurückkommen. Und wenn die Alte noch mal was aus dem Fenster kippt, dann nehmt sie gleich mit.“
Die Schritte entfernten sich, die Soldaten verließen das Haus und schlugen die Türe hinter sich zu.
Stille.
Beide Frauen blieben noch für eine schier endlos wirkende Zeit regungslos hocken und lauschten. Dann setzten sie sich in eine Ecke und merkten, wie die Anspannung von ihnen abfiel.
Keine der beiden sprach ein Wort. Elisabeth schloss erschöpft die Augen.
Sie stand auf dem Friedhof, neben dem riesigen Dom, der sich schwarz gegen den Vollmond abzeichnete. Eiskalter Wind wehte über die Gräber und zerrte an ihren Kleidern.
Dann sah sie ihn, zwischen zwei umgestürzten Grabsteinen, er stand mit dem Rücken zu ihr.
Johann.
Sie rief seinen Namen, aber ihre Stimme verlor sich im Wind. Sie lief zu ihm, berührte ihn an der Schulter.
Langsam drehte er sich um, das Licht des Mondes fiel auf sein Gesicht.
Elisabeth schrie …
Keuchend wachte sie auf. Es war stockdunkel, panisch griff sie um sich, erkannte nicht, wo sie war. Dann sah sie das Mondlicht zwischen den Bohlen, hörte Josefas Schnarchen.
Der Raum unter der Luke, natürlich.
Langsam beruhigte sie sich, aber die Eindrücke des Alptraums gingen ihr nicht aus dem Kopf.
Der Friedhof. Johann. Sein Gesicht .
Es war schrecklich gewesen, es war –
Ein Zeichen?
Sie tastete nach Josefa und schüttelte sie, erst behutsam, dann immer stärker.
Das Schnarchen verstummte. „Was, was –“
„Josefa, wach auf.“
Josefa gähnte in die Dunkelheit. „Was ist denn? Ist ja noch Nacht“, murmelte sie schlaftrunken.
„Wir müssen versuchen, Johann und Heinz zu befreien.“
„Bist du noch ganz bei Trost? Die sind sicher im Kerker der Stadtguardia, da wird’s schon mehr brauchen als uns zwei Hübschen.“
„Dann lass uns was ausdenken.“
Josefa atmete tief durch. Bei aller Not – Elisabeth begann ihr auf die Nerven zu gehen. „Hör zu, es ist mitten in der Nacht, die Straßen sind so gut wie menschenleer bis auf die Nachtwachen. Ist also nicht die beste Idee, sich jetzt draußen zu bewegen. Ich werd mir was überlegen, aber der Heinz ist schon aus größerem Schlamassel wieder rausgekommen. Und wir müssen jetzt erst mal die Füße still halten und abwarten.“
„Gut, aber morgen gleich in der Früh müssen wir was unternehmen.“ Elisabeth machte eine Pause. „Ich weiß nicht, was ich ohne ihn machen soll“, sagte sie dann mit leiser Stimme.
„Komm her.“ Josefa zog sie zu sich und
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