Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
in den Schaft zurücksausen. „Geh mir aus den Augen.“
Er ließ sie los. Sie fasste sich an den Hals und lief zum Tor, dann auf die Straße.
Erschöpft ließ sich Johann neben den Preußen auf die Bank fallen. „Ich hätte sie fast abgestochen.“
„Ich weiß.“
Johann lehnte sich zurück, sog gierig die frische Luft ein.
Denke. Dann handle.
„Hättest mich ja auch daran hindern können.“
„Ich weiß.“
Johann stand auf und blickte seinen Kameraden ernst an.
„Dann suchen wir unsere Frauen und werden die zur Rechenschaft ziehen, die verantwortlich sind, Weltliche wie Geistliche.“
Der Preuße stand ebenfalls auf. „Ich weiß.“
Inferno
LXXII
Zitternd kauerte sich Elisabeth in die Ecke der gemauerten Grube, Josefa umarmte sie beschützend. Unter ihnen verströmte faulendes Stroh seinen stechenden Geruch, über ihnen spannte sich ein düsteres Kreuzrippengewölbe. Um sie herum drängten sich die anderen Unglückseligen, die ebenfalls im Viertel gefangen worden waren.
Die Luft war so kalt, dass die beiden Frauen ihren Atem sehen konnten. Aber es war nicht die Kälte, die ihnen zu schaffen machte, sondern die Angst, die ihnen durch Mark und Bein kroch.
Josefa nahm Elisabeths Kopf und drückte ihn gegen den ihren, aber auch die Nähe konnte ihre düsteren Gedanken nicht vertreiben.
Gedanken darüber, was nun mit ihnen geschehen würde.
Sie hatte schon von solchen Orten gehört, unter vorgehaltener Hand hatte mancher im Bierhaus Zur Schnecke davon geflüstert. Keller, in denen redlichen Christen unfassbares Leid zugefügt wurde, aus Neid, Missgunst und Habgier, alles unter dem Deckmantel der Kirche und dem vermeintlichen Willen Gottes.
Josefa sah die Wände hinauf, es kam ihr immer noch wie ein Wunder vor, dass sie sich beim Sturz in die gut zwei Mann tiefe Grube nichts gebrochen hatten. Die schmerzverzerrten Gesichter und das Wehklagen manch anderer Inhaftierter zeugten davon, dass nicht alle so viel Glück gehabt hatten.
Josefa sah sich genauer um. Es war alles so schnell gegangen, dass sie nicht genau wusste, wo man sie hingebracht hatte. Auch den Zusammenhang zwischen ihnen und den anderen Gefangenen konnte sie nicht erkennen. Was hatten sie mit den dutzenden Männern und Frauen jeden Alters hier unten gemein? Es schien, als hätten die Soldaten einfach wahllos mitgenommen, wen sie erwischt hatten.
Plötzlich blinzelte sie, musterte eine der Gestalten genauer. Die Kleidung war zerrissen, aber das Gesicht war unverkennbar –
Sie stieß Elisabeth an.
Elisabeth sah auf, sah, wohin Josefa zeigte – und erkannte Graf von Binden. Alle Angst wich von ihr, sie sprang zornig auf. Dann machte sie blitzschnell einen Satz nach vorn und schlug von Binden ins Gesicht. Josefa griff nach ihr und zog sie zurück.
„Ihr seid schuld daran, dass Johann –“ Elisabeth atmete tief ein. „Warum habt Ihr uns verraten?“
Der Graf rieb sich die schmerzende Wange. „Sie haben mich erpresst.“
„Ach ja?“, spottete Josefa. „Womit denn? Wollten sie Eure Privilegien kürzen?“
„Vater? Warum schlägt Euch diese Frau?“ Ein kleines Mädchen trat zu von Binden. Er sah zu ihr hinunter, streichelte ihr über die blonden Locken.
Da verstanden die beiden Frauen, sie blickten von Binden mit einer Mischung aus Mitgefühl und Hass an.
„Trotzdem“, sagte Elisabeth, „Ihr hättet nicht –“
Plötzlich wurde über ihnen eine Tür aufgerissen. Basilius kam herein und entzündete mehrere Öllampen.
Die Dunkelheit im Raum schwand und gab vielerlei schmiedeeiserne Haken und Ösen in Decke und Wänden preis sowie schmale Furchen im Boden, die sich allesamt an einer Stelle trafen und aus dem Raum führten.
Elisabeth duckte sich instinktiv, damit Basilius sie nicht sah. Als ob er ihre Gedanken erraten hätte, trat er ganz nah an den Rand der Grube und blickte hinab.
Das Licht der Öllampen ließ seine Augen abgründig leuchten. Die Gefangenen wichen seinem durchdringenden Blick aus, auch Elisabeth und Josefa blickten zu Boden.
Basilius grinste, dann trat er von der Grube zurück. Hinter ihm postierten sich zwei Wachen der Stadtguardia bei der Tür und nahmen mit ihren Hellebarden militärische Haltung an. Jetzt kam eine Gruppe Männer herein, angeführt von Pater Bernardus, dessen finstere Miene schon ankündigte, was folgen würde. Das schwere Goldkreuz, das er vor sich hertrug, stellte er auf dem mittleren der drei wuchtigen Holztische ab und nahm dahinter Platz. Er schlug ein leeres Buch auf
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