Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
sich die Leichen ebenso gottlos stapelten wie im ersten.
Schließlich erreichten sie einen langgezogenen Raum, dessen Wände aus menschlichen Gebeinen zu bestehen schien, dicht und wahllos aufeinander geschichtet bis an die Decke.
Der Preuße schüttelte den Kopf. „Beruhigend, wie die Pfaffen auf uns Acht geben.“
Im nächsten Gang bemerkte Johann weit über ihnen einen schwachen Lichtschein.
„Das Licht fällt durch ein Gitter im Dom St. Stephan. Komm weiter“, rief der Preuße Johann zu.
Sie hasteten über Steinstufen, die nach oben führten, dann über eine hölzerne Treppe, an deren Ende eine schmale Tür den Weg versperrte. Der Preuße warf sich dagegen und riss sie mit voller Wucht aus den Angeln.
Tauben flatterten aufgeschreckt in den wolkenverhangenen Himmel. Die beiden Männer standen in einem Innenhof, der von einer schiefwinkeligen Holzbalustrade umgeben war. Der Preuße blickte sich schnell um.
„Hier entlang!“ Er lief durch eine schmutzige Einfahrt, in der ein Wagen mit gebrochenen Achsen lehnte, Johann folgte ihm hastig.
Nach der Einfahrt tat sich ein weiter Platz mit einem Friedhof und einem riesigen Bauwerk: der Stephansdom.
Der Preuße stütze sich auf seine Knie und atmete schwer. „Und jetzt?“
Johann sah sich um, noch unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. „Jetzt suchen wir unsere Frauen.“
„Und wo beginnen wir damit?“
Martin Nickhorn zitterte immer stärker, im Raum war es totenstill.
Der Knecht nahm eine grobe Schmiedezange und drückte sie dem Opfer an die Brust. Entsetzt sah dieser den Knecht an.
„Noch ist sie kalt, aber ich werde sie zuerst ins Feuer halten, und dann in dein Fleisch kneifen.“
Nickhorn wand den Kopf vor Entsetzen hin und her.
„Ich werde dann auch das tun.“ Leicht, fast zärtlich, kniff der Knecht mit der Zange Nickhorns Brustwarze, der alte Mann schrie auf. „Nein, bitte – ich gestehe es, ich gestehe alles!“
Pater Bernardus stand zufrieden auf. „Was gesteht er?“
„Alles, was ihr verlangt!“
„Da muss er schon ausführlicher werden, in seinen Beschreibungen.“
Nickhorn sah sich panisch um, wusste nicht, was er sagen sollte.
„So stimmt es“, fuhr Bernardus fort, „dass er ein Gefolgsmann des Teufels persönlich ist?“
„Ja, ich bin ein Gefolgsmann des Teufels! Er ist mein Herr und Meister“, wimmerte Nickhorn.
„So stimmt es auch, dass er sich absichtlich mit der Krankheit angesteckt hat, um gottesfürchtige Christen damit zu besudeln und sie ebenfalls gefügig für die Lehren Luzifers zu machen?“
„Ja“, sagte Nickhorn, „auch das stimmt. Alle habe ich sie angesteckt, alle“, und brach in Tränen aus.
„Nun?“, wandte sich Bernardus an Elisabeth und Josefa. „Habt ihr mir etwas zu sagen?“
Elisabeth war innerlich so angespannt, als müsste sie gleich platzen. Sie hatte Gänsehaut und schwitzte zugleich, sah das fleischige Gesicht des Dominikaners, sah den Abgrund in seinen Augen. Ein allumfassendes Gefühl der Bedrohung überkam sie, als würde sie vor einer Bestie kauern, die sie sogleich zu verschlingen drohte.
„Ich sage es Euch noch einmal: Wir wissen nicht, wo die Männer sind.“ Josefas Stimme bebte, ob aus Furcht oder Wut konnte sie selbst nicht sagen.
Von Pranckh beugte sich zu Pater Bernardus und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Bernardus schmunzelte und nickte.
„Bindet Martin Nickhorn los“, befahl er, „und werft ihn in den Kerker, bis dieses Tribunal zu Ende ist.“ Er stand auf, ging zur Grube und betrachtete die kauernden Menschen wie Mastschweine, aus denen er sich das Beste aussuchen konnte. Dann lächelte er und strich sich über sein verschwitztes Kinn. Er deutete auf ein junges Mädchen.
Victoria Annabelle von Binden.
„Du“, sagte er genüsslich.
Der Graf stellte sich schützend vor seine Tochter, den Blick zum Äußersten entschlossen. Sofort setzten zwei Wachmänner die Spitzen ihrer Hellebarden auf ihn.
„Loslassen oder wir stechen dich ab und holen das Gör selbst“, schnarrte einer der Soldaten. Von Binden beachtete ihn nicht, umklammerte seine Tochter nur noch fester. Der andere Soldat drückte die Spitze der Hellebarde langsam in seinen Rücken, sein Rock färbte sich rot. Von Binden schrie auf und ließ seine Tochter reflexartig los, die Hellebarde drückte ihn unbarmherzig zu Boden.
Für Elisabeth war das ganze wie ein Alptraum, aus dem es kein Erwachen gab. „Lasst das Mädchen in Ruhe, wir wissen nichts“, schrie sie. „So glaubt uns
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