Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
Preuße trat gegen eine Bank.
Von Freising sah den Preußen ruhig an. „Bei mir ist es so wie bei Soldaten. Wir haben gute und schlechte Befehlshaber. Und wir können uns nicht immer gegen unsere Befehlshaber wehren.“
„Ich hab mich gegen das Unrecht von oben gewehrt, als ich Soldat war. Und er auch“, sagte der Preuße mit gepresster Stimme und deutete auf Johann.
Der schüttelte den Kopf. „Lass gut sein, dafür haben wir keine Zeit. Außerdem gehört Pater von Freising zu den Guten.“ Johann atmete tief durch. „Nehmen wir das Schlimmste an. Ein Ort, zu dem man mit großen Wagen fahren kann. Wo keiner sieht oder hört. Wo man sie auch einfach verschwinden lassen kann.“ Johanns Mut schwand mit jedem Wort, das er aussprach.
Von Freising überlegte, er begann auf- und abzugehen.
Der Preuße setzte sich auf eine Bank und schloss die Augen. Erinnerungen an Josefa blitzten auf, machten seine Sehnsucht nach ihr schier unendlich groß.
„Ein solcher Ort …“, murmelte der Mönch immer wieder. Dann hielt er inne. „Die Blutgasse.“
„Blutgasse?“, fragte Johann ungläubig.
„Ganz in der Nähe, dort waren früher lauter Fleischhauereien, daher der Name. Die alten Holzhäuser hat man irgendwann abgetragen und auf das Fundament neue Gebäude errichtet. Aber die mehrstöckigen Keller sind noch da. Und das Haus Blutgasse Ecke Gasse zum roten Kreuz haben die Dominikaner erworben.“
„Wie kommen wir dort hin?“
„Aus der Kapelle, gerade aus weiter, nach dem Stephansdom scharf rechts, nach dem ersten Haus wieder rechts.“ Er überlegte kurz. „Ich bring euch hin.“
„Das müsst Ihr nicht“, sagte Johann, „Ihr habt uns schon geholfen.“
„Nein, nein, dein Freund hat schon recht“, entgegnete der Mönch und lächelte grimmig. „Auch Soldaten sollten gegen das Unrecht aufstehen. Und ich war mein Leben lang ein Soldat Gottes und hab in vielen Schlachten für Ihn gefochten – da werd ich jetzt nicht damit aufhören.“
Von Freising griff seinen Wanderstab, der neben der Bank lag, und ging mit großen Schritten auf den Ausgang zu. Johann und der Preuße folgten ihm.
LXXVII
„Ich sag Euch, wo die Männer sind, aber lasst das Mädchen in Ruhe!“ Josefa sprach sehr ruhig, sie sah Bernardus an. Der schmunzelte selbstgefällig und machte schließlich eine Handbewegung.
Der Knecht ließ augenblicklich von Victoria ab. Sie lief zur Grube, kletterte über den Rand und fiel ihrem Vater in die Arme.
Elisabeth ergriff Josefa am Arm. „Tu das nicht. Sie werden uns niemals –“
Diese lächelte traurig. „Vertrau mir, ist besser so.“ Dann drängten die Wachen sie mit ihren Hellebarden vorwärts, auf den Tisch mit den drei Männern zu.
Josefa schlug das Herz bis zum Hals. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht? Warum sollte sie den Kopf für irgendjemand anderen hinhalten? Sie sah Victoria in den Armen ihres Vaters, der ihr sanft über den Kopf streichelte und sie küsste. Und plötzlich schienen alle ihre Fragen beantwortet.
Gefasst blickte sie ihre Richter an. Keiner von denen konnte auch nur ansatzweise an Gott glauben, davon war sie überzeugt, denn was für ein Gott wäre das, der ein solches Verhalten billigte? Der tatenlos zusah, wie all das Leid in seinem Namen über andere gebracht wird? Hier diente jeder seinem eigenen Gott, den er sich so zurecht gezimmert hatte, wie er für ihn gefällig war.
„Nun?“ Bernardus beugte sich vor.
Josefa holte tief Luft. „Ihr könnt unsere Männer nicht verfehlen. Sie sind –“
Bernardus zog erwartungsvoll die Augenbrauen in die Höhe.
„– bestimmt bei der Andacht im Stephansdom.“ Josefa kam ein hysterischer Lacher aus.
Das Gesicht des Dominikaners wurde ziegelrot. „Wie du willst, du Hexe! Knecht, scher das Weib und tu deine Pflicht.“
Der Folterknecht ergriff Josefa und drückte sie an die Wand. Sein Atem stank nach Fäulnis, Josefa wandte sich ab. Sie schloss die Augen und dachte an ihren Mann, der immer für Recht und Ordnung eingestanden war. Der sich, trotzdem er sich der Konsequenzen bewusst war, immer für die eingesetzt hatte, für die sonst keiner eintrat. So stolz war sie auf ihn gewesen.
Ein brutaler Ruck an ihren Haaren riss sie aus den Gedanken, der Knecht hatte sich über sie gebeugt und begann ihre Haare zu scheren.
Sie lugte zu ihrer Rechten, dann auf das stinkende Monstrum, das vor und über ihr zugange war.
Ich hoffe, jetzt mach ich dich stolz, Heinz .
Blitzschnell griff sie die schwere Schmiedezange und
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