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Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Autoren: T. Aaron Payton
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einen Spalt offen stand. Die Fenster wurden von schweren Vorhängen verdeckt. Auf einer Kommode stand eine der neuen alchemistischen Lampen und sorgte für Licht. Die Glühbirne aus geblasenem Glas war mit einem hell leuchtenden Gas gefüllt. Diese alchemistischen Geräte waren angeblich sicherer als Gasbrenner und fingen weniger leicht Feuer, doch Ellie war davon nicht überzeugt. Sicher war das Licht beständiger als Gaslicht, auch wärmer und wesentlich billiger als die neuen elektrischen Lampen, die vor kurzem vorgestellt worden waren. Doch das alchemistische Glühen hatte etwas Gespenstisches, das sie an Geschichten von Irrlichtern und Elmsfeuern erinnerte, die sie einst gelesen hatte. Ellie warf einen Blick auf die Gestalt, die auf der Bettdecke lag. Sie – oder besser gesagt, es – schien nicht mehr und nicht weniger als eine schlafende Frau zu sein, deren Brust sich langsam hob und senkte. Ellie war noch nicht ganz bereit, sie zu untersuchen, deshalb ging sie zu der Truhe am Fuß des Bettes. Sie fragte sich, was sie wohl darin finden würde.
    In der Truhe waren Rüschenunterwäsche, unter anderem einige schockierende Kleidungsstücke in leuchtendem Scharlachrot, eine kleine Peitsche, eine Reitgerte, verschiedene Leder- und Metallstücke, deren Verwendung ihr nicht ganz klar war, und tiefere Schichten aus zusammengelegtem Stoff, die sie nicht allzu eingehend betrachtete. Ellie schnalzte mit der Zunge. Zu schade, dass Cooper ihr verbieten würde, die meisten dieser Dinge zu beschreiben. Wenn sie es täte, würde die halbe Leserschaft in Ohnmacht fallen. Obwohl die andere Hälfte insgeheim Erregung verspüren würde, würde Cooper auf der sicheren Seite bleiben wollen. Vielleicht konnte sie noch einen unzensierten Artikel für den Lantern schreiben, die druckten schließlich alles.
    Sie hatte nicht gewagt, Stift und Notizbuch mitzubringen, aus Angst, dass man sie durchsuchen und als Journalistin enttarnen würde. Deshalb konnte sie sich keinerlei Notizen machen. Sie glaubte aber nicht, dass sie etwas Wichtiges vergessen würde. Es war an der Zeit, das Ding selbst zu untersuchen. Die Liebespuppe, die mechanische Kurtisane, die automatische Dirne.
    Ellie umkreiste das Bett und besah sich die Frau – nun, das frauenartige Ding – von allen Seiten, bevor sie schließlich das Unvermeidliche tat und zwischen die Kissen kletterte. Dieses Modell, Delilah, hatte gewelltes, kastanienbraunes Haar, blaue Augen und sehr hübsche, cremefarbene Haut. Ihr – sein – Körper war mit einem schwarzen Morgenmantel aus Seide bekleidet, der kurze Ärmel und einen noch kürzeren Saum hatte. Für eine Puppe war das Ding zu lebensecht, doch obwohl die Brust sich in künstlichen Atemzügen bewegte, schien es nicht lebendig. Es fehlten die kleinen Veränderungen und Bewegungen, die die Lebenden kennzeichnen. Nein, dieses Ding ähnelte eher einer Leiche, trotz der vollkommen gleichmäßigen Atemzüge. Ellie konnte sich nicht vorstellen, wie irgendein Mann sich damit hinlegen und vorgeben konnte, es sei eine echte Frau. Die meisten Männer mussten weitaus mehr Fantasie besitzen, als sie gedacht hatte. Ellie streckte die Hand aus, um den Arms des Dings zu berühren …
    Die mechanische Kurtisane geriet in Betrieb und wandte ihr halb den Kopf zu. Ihre Lider flatterten, ihre Lippen öffneten sich, und ein warmes, sinnliches „Mmm“ entstieg ihrer Kehle. Ellie fuhr zurück, überrascht von der Wärme der Haut und der plötzlichen Bewegung. Die Haut war nicht ganz wie die einer echten Frau, doch sie war weich, nachgiebig und geschmeidig. Sie hatte so etwas wie Guttapercha-Gummi erwartet, aus dem man die Puppen machte, mit denen sie als Kind gespielt hatte. Doch dieses Fleisch erinnerte sie eher an … Fleisch. Es schien beinahe echt zu sein, obwohl der Geruch nicht stimmte. Er war zu neutral, nicht menschlich genug, und die Bewegungen waren auf undefinierbare Weise künstlich.
    Ellie streckte die Hand aus und legte die Handfläche zwischen die kleinen Brüste des Automaten. Ja, es gab einen Herzschlag, und kleine, bereitwillig klingende Seufzer stiegen mit jedem Atemzug aus der Kehle der Kurtisane.
    Du bist Journalistin, sagte Ellie sich, und öffnete dem Ding den Morgenmantel.
    Die Haut der mechanischen Kurtisane war nicht völlig makellos, wie Ellie erwartet hatte. Unter der einen Brust war ein Leberfleck aufgemalt, und ein paar dunkle Haare führten von ihrem Bauchnabel hinab zu dem noch volleren Schopf ihres Schritts. Als sie sich
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