Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
bloß neugierig, das ist alles.“
„Er besitzt auf jeden Fall die technische Fachkenntnis“, sinnierte Conqueror.
„Wenn die Anregung dafür sogar von ihm kam … soweit Sie mir erzählt haben, neigt er dazu, sich gewinnbringende Lösungen für Probleme auszudenken, die er selbst definiert hat“, mutmaßte Pimm.
„Das Geld braucht er wohl kaum, aber es wäre ihm wohl zuzutrauen, so etwas zu erschaffen, weil er es unterhaltsam findet. Dennoch erscheint es mir etwas unfein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Königin damit einverstanden wäre.“
„Es wäre ein arger Skandal“, sagte Pimm. „Vor allem, wenn man bedenkt, was für Geschäftspartner er bräuchte, um mit einem solchen Unterfangen Erfolg zu haben.“
„Die Sorte Verbrecher, die man auch ohne magnetische Persönlichkeitskontrolle erkennt“, bemerkte Conqueror. „Gut, gut. Langsam begreife ich, weshalb Sie hier sind.“
„Wie meinen Sie das? Ich bin bloß gekommen, um einen alten Freund zu besuchen. Tatsächlich muss ich bald wieder gehen. Aber ehe ich aufbreche: Haben Sie schon einmal von einem Mann namens Adams gehört? Ein Wissenschaftler, der private Forschungen betreibt?“
„Nicht dass ich wüsste. Was ist sein Forschungsbereich?“
„Oh. Die menschliche Physiologie, im weitesten Sinne, aber insbesondere das Weiterbestehen der Persönlichkeit nach dem Tod, denke ich.“
„Spiritualismus“, meinte Conqueror abfällig. „Kann man wohl kaum eine Wissenschaft nennen. Das ist hauptsächlich Wunschdenken und Einbildung.“
„Ich bin überzeugt, dass Sie Recht haben“, erwiderte Pimm. Er wünschte seinem Freund einen guten Tag und machte sich gedankenverloren auf den Weg über den Campus. Oswald war demnach der Erfinder der mechanischen Konkubinen und hatte mit Value Geschäfte gemacht. Selbstverständlich würde der Mann nicht wollen, dass diese Verbindung an die Öffentlichkeit kam. Ein Skandal würde Oswald zwar sicher zuwider sein, doch so sehr, dass er Value in Todesangst versetzte? Irgendjemand reagierte da eindeutig zu heftig. Es sei denn, es gab noch eine weitere Beziehung zwischen dem Wissenschaftler und dem Verbrecherkönig. Ein Gedanke regte sich in seinem Hinterkopf. Es hatte etwas mit Morbus Konstantin zu tun.
Er blieb im Schatten eines blühenden Baumes stehen und starrte ins Leere. Oswald hatte die Keimtheorie studiert. Oswald hatte ein Faible für groß angelegte Gesellschaftsexperimente. Oswald hatte Prinz Albert das Leben gerettet, und später, nachdem Prinz Albert als Ehebrecher eingesperrt worden war, hatte er sich der Königin angenähert. Die Königin konnte ihm helfen, noch mehr seiner großen Gesellschaftsexperimente in die Tat umzusetzen. Es war zwar nicht bewiesen, doch einmal angenommen, Oswald hatte mechanische Automaten entwickelt, die eine direkte Antwort auf Morbus Konstantin darstellten. Die würden sich für ihn als recht profitabel erwiesen haben.
Aber ja, erst gestern hatte Pimm Ellie gegenüber geäußert, dass jemand die Krankheit bewusst geschaffen haben könnte, um sie als Werkzeug für eine Revolution oder irgendeine gesellschaftliche Umwälzung einzusetzen. Später hatte er die Idee zwar wieder verworfen und als Ausdruck seiner Neigung gesehen, für jedes Unglück auf der Welt einen Schuldigen zu suchen. Aber wenn es ein Verbrechen gab, musste es logischerweise auch einen Verbrecher geben. Naturkatastrophen und Seuchen waren keine Verbrechen, doch was, wenn Morbus Konstantin nichts Natürliches war? Was, wenn dies das Geheimnis war, das Value kannte? Die Entdeckung, dass Oswald mit den Bordellen zu tun hatte, führte schließlich unweigerlich zu Value. Diese Verbindung konnte die wirkliche Gefahr für Sir Bertram darstellen, weitaus gefährlicher als jeder Skandal über eine Verstrickung mit mechanischen Frauen. Doch warum sollte Value etwas über eine von Menschen geschaffene Seuche wissen? Oswald hätte einem solchen Mann so etwas gewiss niemals anvertraut.
„Value“, sagte Pimm und schloss die Augen. Was war ein anderes Wort für ‚value‘?
Worth.
Pimm eilte auf die nächste Straße zu. Er brauchte Antworten. Doch zuallererst brauchte er eine Droschke. Davor konnte ein Drink nicht schaden. Er tätschelte den Flachmann in seiner Tasche und gab sich selbst das Versprechen, nur einen Schluck zu nehmen, vielleicht auch zwei. Nüchternheit war schön und gut, doch irgendwann brachte sie einen nicht mehr weiter.
Fesselung
D ie Fahrt war natürlich peinlich. Zusammen mit
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