Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)
dampfende Teetasse hielten, bevor ihm einfiel, dass diese Hände wahrscheinlich voller Erkältungskeime waren. Langsam, um sich nicht verdächtig zu machen, fuhr Kai seine Beschwichtigungshand wieder ein. »Was ich mich nur frage«, sagte er gleich darauf, betont versöhnlich, »warum gibt mir der Verlag ausgerechnet diese Art von Büchern mit, sozusagen als Vorbilder?«
»Dit lässt sich leicht beantworten«, sagte Peggy, ließ aber mit der Antwort auf sich warten.
»Ja?«, insistierte Kai nach einer Weile, in der Peggy mindestens drei große Schlucke vom Kamillentee genommen hatte und zwar aufreizend langsam.
»Geld«, sagte Peggy.
»Ja nun. Um das liebe Geld dreht sich natürlich alles heutzutage. Leider, wenn ich das hinzufügen darf.«
»Tanja Hufschmied und vor allem aber dieser Jens-Uwe Palmer, dit sind die goldenen Kälber von deinem Buttermann-Verlag«, sagte Peggy, »die Dukatenscheißer. Kiekste dir eigentlich nich die Bestsellerlisten an?«
»Schon lange nicht mehr«, sagte Kai, »das letzte Mal, als ich noch Redakteur war. Das war vor …«
»Ganz besonders dieser Jens-Uwe Palmer«, unterbrach Peggy Kais Kopfrechenanstrengung, »der alleine hat drei Titel gleichzeitig in den Listen mit seinem Brutalo-Schund. Und soll ick dir noch wat sagen?«
»Ich bitte darum«, sagte Kai.
»Der schreibt noch unter einem Haufen von anderen Namen.«
»Unter Pseudonymen?«, sagte Kai.
»Ganz genau«, sagte Peggy, »und falls de wissen willst, unter welchen Namen jenau, denn is Wikipedia dein Freund, mein lieber Herr van Harm.« Peggy trank den Rest Kamillentee in einem Zug aus und erhob sich.
Kai brachte seine Nachbarin noch zur Tür, wünschte ihr gute Besserung und gute Unterhaltung mit den restlichen Büchern aus dem Jutebeutel des Buttermann-Verlags. Dann ging er langsam in seine Wohnung zurück, während er immer wieder drei Worte vor sich hin flüsterte: » Wetzstein, Axtbeil, Scherkamm .«
Da war doch mal was gewesen, überlegte er, als er sich im Wohnzimmer an den Schreibtisch setzte, das Notebook hochfuhr und den Umschlag mit der fiesen Verlagspost unter einem Stapel Zeitungen versteckte.
» Wetzstein, Axtbeil, Scherkamm .« Da war doch tatsächlich mal was gewesen. Und langsam, ganz langsam ging ihm ein Licht auf.
» Jens-Uwe Palmer .« Es stimmte doch gar nicht, dass Kai diesen Namen noch nie gehört hatte. Das war doch gar nicht wahr.
Unterdessen in der Hölle
Eigentlich war es durchaus bequemer für Bruno, mit Ronny, Rocco und Robert einkaufen zu gehen. Und dann wiederum doch nicht.
Sie fuhren mit einem der Autos, das einem der dreien gehörte, in die Berliner Mitte. Es war aus französischer Produktion und eine seltsame Mischung aus Kasten- und Familienwagen. Dementsprechend waren die beiden hinteren Fensterscheiben mit je einem Hello-Kitty-Sonnenschutz verdunkelt. Dieses absurde Gefährt brachte sie jedenfalls direkt in die Tiefgarage der rosa Hölle. So einfach konnte es sein, wenn man, anders als Kai van Harm, grundlegende Kulturtechniken des Abendlandes wie das Autofahren beherrschte.
Aber das Einkaufen selbst war mit den drei R’s noch eine Spur anstrengender, als es das mit seinem Freund Kai ohnehin schon gewesen war. Das musste Bruno zugeben. Mit Kai hatte ihn immerhin die unausgesprochene Verachtung für den Konsumtempel verbunden. Das war eine Gemeinsamkeit, die einem die Qual, sich dennoch dem verhassten Einkaufen von Konsumartikeln manchmal unterwerfen zu müssen, ein wenig erleichterte. Fand Bruno jedenfalls.
Ronny, Rocco und Robert dagegen waren bei aller Abgebrühtheit, die sie ansonsten an den Tag legten, ehrlich begeistert. Von der Größe der Tiefgarage, von der Größe des Kaufhauses, sogar von der Schönheit des Büdchendorfs um den versifften Brunnen der Völkerfreundschaft herum. Dorthin hatte Bruno sie geführt, damit sie trotz der ganzen Arbeit auch noch ein bisschen von der Stadt zu sehen bekamen. Und außerdem, weil sie noch in der Tiefgarage der Hölle über Hunger geklagt hatten, der sie angeblich plage. In der Tat: Es ging auf Mittag zu. Und so standen die drei R’s also kurz nach zwölf zwischen den Holzbuden des Alexanderplatzes, hielten Plastikteller und Pappschalen in der Hand und spachtelten Pilzpfanne, Bami Goreng, Schaschlik mit Soße, Buletten mit Bratkartoffeln, warme Käse-, Schinken- und Lauchstangen, als ob es kein Morgen gäbe. Bruno dagegen begnügte sich mit einem frischen Bier vom Fass und danach, weil seine Kameraden noch immer nicht fertig
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