Mord allein macht auch nicht glücklich: Ein Provinzkrimi (German Edition)
waren mit ihrer Fressorgie, gönnte er sich noch einen Caipirinha mit extra Rum. Und kurz darauf, die drei R’s kauten weiterhin auf ihrem Essen herum, ein weiteres Bier vom Fass.
Als sie dann endlich wieder hinübergingen zur rosa Hölle, fiel Bruno auf, dass Rocco, Ronny und Robert nicht gerade unauffällig aussahen. Sie wirkten ganz eindeutig wie Touristen oder konkreter: Wie leicht zurückgebliebene Brüder aus der tiefsten Provinz, aus dem Erzgebirge zum Beispiel oder aus der Oberlausitz. Und das lag nicht nur daran, dass sie alles mit großem Ah und Oh bestaunten und dabei mit ihren nicht mehr ganz taufrischen Handys ablichteten, wie etwa die dämliche, mehrstöckige Saturn-Filiale, die mitten auf dem Alex rumstand und an der sie vorbeikamen. Nein, dieser Eindruck entstand hauptsächlich dadurch, dass alle drei das ungefähr gleiche Sporthemd trugen, wie Bruno aufgefallen war, eine Art Fußballtrikot ohne Rückennummer und Vereinsemblem. Lediglich die Farben der Hemden unterschieden sich.
Mal einen Schritt vor ihm, mal einen Schritt dahinter, so umtänzelten die drei R’s Bruno. Einmal musste er sie sogar mit einem Zischen auseinanderscheuchen, so dicht waren sie ihm auf die Pelle gerückt. Als ob er der Vater wäre, der mit seinen Söhnen die Hauptstadt besichtigt.
Bruno hoffte nur inständig, dass er ausgerechnet heute nicht unter der Beobachtung vom Kautschuk-Elvis stand. Denn in dieser Formation boten sie nicht nur einen lächerlichen Anblick, sie waren wirklich hilflos. Sie waren unkonzentriert und abgelenkt von all dem Flitterwerk des Kapitalismus, vom Shoppen und vom Fressen. Sie waren eine leichte Beute.
Und nein: Es wunderte Bruno keinesfalls, dass Ronny, kurz bevor sie endlich in die heiligen Hallen der rosa Hölle eintreten konnten, ein weiteres Mal stoppte, um sich – war es aus Appetit, oder war es aus Mitleid? – eine Bratwurst direkt aus dem Rollstuhl zu kaufen.
Hirntod
Der Autor als Fleischer
Jens-Uwe Palmer serviert hausgeschlachtete Sülze nach Brandenburger Art
Nein. Auf den Inhalt des Buches soll an dieser Stelle mit keinem Wort eingegangen werden. Sie werden natürlich fragen, warum nicht? Ich werde es Ihnen sagen: Weil es sich nicht lohnt. Weil die Geschichte ein fader Witz ist. Weil nichts stimmt. Weil die Figuren reine Pappkameraden sind, die Jens-Uwe Palmer in seinen Pappkulissen hin und her schiebt. Das heißt, vorzugsweise lässt er sie in teuren Automobilen über die Alleen jagen. Immerhin spielt das Werk im Brandenburgischen, und vielleicht ist das auch schon das einzige Verdienst dieses Kriminalromans. Doch halt! Er spielt ja gar nicht im schönen Berliner Umland. Lediglich Palmers Pappkulissen sind gelegentlich beschriftet mit Namen wie Rheinsberg oder Neuruppin oder Havelland. Aber immer so, dass man die Sperrholzstützen dahinter noch ganz deutlich sieht. Nein, in diesem Buch stimmt wirklich gar nichts, und der sogenannte Plot ist nur das fadenscheinige Mäntelchen, das der Autor seiner wirklichen Leidenschaft umzuhängen versucht. Und die heißt: Blood and Gore, was auf Deutsch so viel bedeutet wie Blut und Gedärme, eigentlich eine Abart des amerikanischen Horrorfilms. Hierbei floss das Filmblut nicht literweise, sondern hektoliterweise, und im Grunde floss es auch nicht, sondern es spritzte in meterhohen Fontänen. Das soll als kleiner Exkurs schon genügen. Nur noch so viel: Nicht selten waren diese Blut- und Gewaltorgien satirische Überhöhungen des eigenen Genres. Selbstironie, wenn man so will. In Palmers Roman Schraubstock dagegen, seinem vierten Buch nach Wetzstein, Pressluft und Scherkamm , ist alles ernst gemeint, ein äußerst blutiger Ernst: Folter, Verstümmelung, Schächtung, Amputationen von so gut wie allen Gliedmaßen. Hirntod, möchte man ausrufen! Und das wirklich Schlimme ist, nur unter den diversen Qualen, die ihnen Jens-Uwe Palmer angedeihen lässt, gewinnen einige seiner Pappkameraden so etwas wie Tiefe, so etwas wie – man wagt es ja kaum zu äußern – Leben.
Was uns das über den Autor sagt? Ich will gar nicht versuchen, es auszusprechen. Und über das Publikum, das diesen Schund millionenfach kauft? Auch hier schweigen wir lieber.
Mein Fazit jedenfalls lautet: Jens-Uwe Palmer ist ein Autor, der mit der deutschen Sprache nicht weniger zu kämpfen hat als die Opfer seiner blutrünstigen Fantasie mit den mannigfaltigen Schmerzen, die er ihnen zufügt.
Also aufgepasst und: Hände weg!
(Sie wissen schon.)
Ihr Kai van Harm
Jens-Uwe
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