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Mord am Millionenhügel

Mord am Millionenhügel

Titel: Mord am Millionenhügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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deutete der Reihe nach auf die ungefähr im Kreis stehenden Häuser – »folgende Tatsache: Hier wohnt der Abgeordnete mit den hübschen Töchtern, hier ein älterer Professor mit Frau und einer sehr hübschen Haushälterin, jedenfalls behauptet Moritz das, hier ein einsamer, aber reicher Witwer, der seine Einsamkeit dadurch zu mildern sucht, daß er ein junges Paar in Untermiete genommen hat; die Frau ist ebenfalls ansehnlich. Daneben ein Pelzhändler mit Frau und einer Tochter Anfang Zwanzig. Der Herr mit den Rauchwaren ist sehr geschäftstüchtig; er hat noch eine kleine Einliegerwohnung, die belebt ein Kandidat des Auswärtigen Amts zwischen zwei Auslandsaufenthalten. In dem Haus hier ein Kommunalpolitiker mit Frau und ebenfalls zwei Töchtern, daneben ein Bauunternehmer. Er lebt mit einer jüngeren Frau zusammen, sie sind aber wohl nicht verheiratet. Meine Moral sträubt sich.«
    Er machte eine Pause; wahrscheinlich, um mir Gelegenheit zu geben, die abenteuerliche Annahme einer in ihm nicht nur vorhandenen, sondern auch noch sträubsamen Moral zu bedenken.
    »Ich bin«, sagte ich gehorsam, »des Staunens voll, o Baltasar.«
    Er nickte. »Das denke ich mir wohl.«
    »Und zwar«, fuhr ich fort, »ob deiner Moral. Ich wußte bis eben nicht, daß du eine solche besitzest.«
    »Du weißt«, sagte er, wobei er mich ansah wie ein Vertreter für Hosenträger eine zu überredende Äbtissin, »daß ich zu allen möglichen Exzessen bereit bin, um den Geschmack des Lebens zu erforschen, notfalls sogar zur Moral.« Er lächelte freundlich, etwa wie ein Pferd.
    »Nun sag an«, knurrte er dann, »was du von der Belegschaft dieses Villenviertels hältst.«
    »Nun ja, was soll ich von ihnen halten? Sie sind offenbar alle recht erfolgreich und zum Teil ausgesprochen zeugungswütig gewesen. Merkwürdig, daß es nur Töchter gibt.«
    Baltasar nickte abermals. »Wie wahr«, murmelte er, »aber Töchter sind pflegeleichter als Knaben. Wenn man ein Geschäft hat, müssen Söhne zuerst angelernt werden, damit sie einem zur Hand gehen können, und dann betreiben sie mit Macht die Verdrängung des Vaters; außerdem schleppen sie fremde Frauen an, von denen man sich dann duzen lassen muß. Widerlich. Töchter dagegen streicheln abends dem müden Krieger den Staub aus dem schütteren Haar und schaffen, nach einer Periode nächtlichen Streunens, Schwiegersöhne herbei. Denen kann man das Geschäft übergeben, man muß aber nicht; vor allem kann man sie hinauswerfen, wenn sie einem nicht passen, was man mit eigenen Söhnen nur ungern, wenn auch gelegentlich intensiv betreibt.«
    Ich lauschte mit einer gewissen Verwunderung dieser Abschweifung. »Baltasar«, sagte ich, »mir scheint, du schwelgst in Vorstellungen des neunzehnten Jahrhunderts.«
    Er hob die Hand und wedelte mit ihr. »Ich danke dir«, sagte er, »für diesen Hinweis. Das neunzehnte Jahrhundert hat mich schon immer gelangweilt. Bring mich nicht noch einmal mit ihm in Verbindung, hörst du?«
    »Wieso? Ich hab dich doch nur auf etwas hingewiesen …«
    Er schnaubte. »Wer hat denn mit den Töchtern angefangen?«
    »Na, die Bewohner der Villengegend.«
    »Ja, aber du hast sie erwähnt. Und du weißt doch, wie ich auf Erwähnungen reagiere.«
    »Du nervst mich. Ist es meine Schuld, wenn du aus einem Stichwort eine Anakonda von Assoziationen machst, die sich dann würgend um deinen dicken Hals legt?«
    »Du verdrehst die Kausalität«, behauptete er. »Wer verursacht denn die Lawine: der, der sie oben auf dem Berg lostritt oder der, der in ihren Sturz verwickelt wird und sie durch sich selbst anreichert?«
    Ich gab auf. Bewaffnete Neutralität ist die einzige Haltung, die gegen Matzbach hilft. Man darf sich nicht in Verwicklungen einlassen; es führt zu nichts.
    »Also«, sagte ich matt, »diese Villenbewohner …«
    »Richtig. Wir haben es mit einem extremen Fall zu tun. Der Frauenüberschuß der Republik wurde hier auf die Spitze getrieben. Ich weiß nicht, ob es vertretbar ist, aber es ist nun mal so. Nun muß man sich fragen, woran das liegt. Könnte es …«
    Ich unterbrach ihn verzweifelt. »Hör auf zu spinnen. Bleib bei der Sache.«
    Er sah mich verletzt an. »Du trampelst auf meiner zarten Seele herum.«
    »Sie wuchert und muß beschnitten werden«, sagte ich höhnisch. »Also, die Villengegend. Wenn es für einen Voyeur eine lohnende Ecke gibt, dann doch bestimmt diesen Fast-Kreis von Häusern.«
    Baltasar schien alles andere vergessen zu haben. »Richtig«, sagte er

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