Mord am Millionenhügel
mir sonst wirklich das Wochenende verdorben.
4. Kapitel
Am Dienstag fand Matzbachs Invasion meiner Behausung statt. Er hatte viel zu berichten.
Die Fahrt nach Hannover und Dortmund war nicht besonders einträglich gewesen. Er hatte einige unwichtige Details aus Brockmanns Vorleben erfahren. Übrigens war Haselmaus nicht wieder in Tannenbusch gesichtet worden; Baltasar hatte noch einmal mit der alten Dame telefoniert und ihr empfohlen, den Untermieter als vermißt zu melden.
Erfolgreich gewesen war dagegen Moritzens Streifzug durch die Straße am Millionenhügel.
»Ich hatte ihm gesagt«, berichtete Baltasar fröhlich, »er solle doch einfach mit seinem Presseausweis in der Hand durch die Straße wandern, an allen Türen klingeln und den Leuten sagen, er hätte gehört, hier wären in letzter Zeit Fälle von Belästigung durch einen Spanner vorgekommen. Du weißt: Mädchen, die sich beobachtet fühlen, zertretene Blumenbeete unter Schlafzimmerfenstern und so weiter.«
Ich lehnte mich im Sessel zurück, zündete mir eine Zigarette an, um gegen Baltasars Zigarre anzustinken, und nahm einen Schluck Kaffee zu mir.
»Ganz schön dreist«, sagte ich. »Also dafür hast du Moritz gebraucht.«
Baltasar schüttelte den Kopf. »Nicht nur. Natürlich ist es ganz günstig, daß er mit seinem Presseausweis hantieren kann. Aber das ist nicht alles. Ich will da nicht zu früh auffallen.«
Er äußerte sich nicht weiter über diese mysteriöse Bemerkung und fuhr fort. »Er ist ein paarmal dagewesen, weil er nicht immer alle Anwohner angetroffen hat. War zwar Sonntag, aber du kennst das ja: Besuche bei der Schwiegermutter, Wochenendausflüge und so. Egal. Nach und nach hat er die ganze Umgebung abgeklappert. Dabei sind ein paar Sachen rausgekommen. Erstens haben sich einige Leute in der letzten Zeit tatsächlich über einen Spanner beschwert und sogar Anzeige gegen Unbekannt erstattet.«
Er blies mir eine dicke Wolke ins Gesicht. Genießerisch machte er eine Pause. Dann: »Bei der Anzeige ist natürlich nichts rausgekommen. Irgendein Johnny von der Polente war wohl da und hat sich ein paar Notizen gemacht, aber das ist auch alles. Sieh mal.«
Er breitete auf dem Tisch eine vergrößerte Fotokopie aus, Detailausschnitt aus einem Stadtplan.
»Hier«, sagte er und wies auf eine abstrakt S-förmige Straße. »Um diese Häuser herum hat der Unhold sein Unwesen getrieben. Oder der Hold sein Wesen? Egal. Moritz ist zur Sicherheit auch in der weiteren Umgebung gewesen, bei Anliegern anderer Straßen, aber da gab es nichts. Die Leute, die ihn gesehen haben, wohnen hier, hier, hier und hier.«
Mit seinem fetten Finger beschrieb er ein paar Kreise auf dem Plan. Dann schaute er mich an. »Fällt dir was auf?«
Ich seufzte. »Kannst du mir nicht gleich sagen, was los ist, statt wieder einen sokratischen Dialog mit mir anzufangen?«
Baltasar verzog weinerlich das Gesicht. »Du bist immer so hart zu mir«, sagte er. »Es geht um was anderes. Moritz und ich sind unabhängig voneinander zum gleichen Schluß gekommen; nun wüßte ich gern, als zusätzliche Bestätigung, ob dir die Sache auch so offensichtlich vorkommt.«
»Aha.«
Nicht überzeugt beugte ich mich über die Karte. Mit kleinen Kreuzen hatte Baltasar (oder Moritz) die Plätze markiert, an denen der Spanner flüchtig gesehen worden war oder Spuren (zertrampelte Blumen etc.) hinterlassen hatte. Zwei Häuser mit Gärten, in denen er gewesen war, dann eine kleine private Stichstraße, die zwischen zwei Häusern endete, von der aber Garagenzufahrten zu einigen weiteren Häusern führten. Alle diese Gebäude lagen nicht direkt an der S-förmigen Straße, sondern in einem unvollkommenen Kreis um ein fast parkgroßes Gartenareal gruppiert. Danach weitere Häuser mit Gärten (und Kreuzchen), wieder an der Straße.
»Komisch«, sagte ich. »Ich kenne zwar die Straße nicht; außerdem bin ich natürlich kein Fachmann für die Psychologie von Voyeuren …«
Baltasar unterbrach mich. »Nun red nicht so lange über deine Einwände und Vorbehalte, du Kokettierbolzen.«
»Aber«, fuhr ich mit einer Grimasse fort, »wenn er aus diesen beiden Gärten kommt und weiter oben in den Gärten wieder Spuren hinterlassen hat, dann ist sein logischer Weg nicht über die Straße, sondern durch diesen großen Gartenpark. Und da hat ihn keiner gesehen?«
Baltasar lächelte wohlwollend. »Richtig, mein lieber Watson. Da hat ihn keiner gesehen. Behaupten jedenfalls alle. Merkwürdig ist nur« – er
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