Mord am Millionenhügel
habe.«
»Warum sind Sie nicht einfach aus dem Fenster geklettert? Das ist zwar ein bißchen hoch zum Springen, aber Sie haben doch bestimmt schon mal nen Film gesehen, in dem jemand aus seinem Bettlaken nen Strick macht ...«
»'türlich. Geht aber nicht. In dem Haus gibt's ne Klimaanlage, die mit ner Diebstahlsicherung zusammenhängt. Wenn die Anlage läuft, kann man Fenster nur mit nem bestimmten Schlüssel öffnen, und den hat der Professor. Ich hab alles versucht, aber das Fenster war nicht aufzukriegen. Und diese Dreifachverglasung kriegen Sie auch nicht mit nem Schuh kaputt.«
Ich stieß einen Pfiff aus. »Mensch, Mädchen, das ist ja eine teuflische Kiste.«
Sie nickte. »Ich hab mich unheimlich konzentriert. Dann ist mir ein Einfall gekommen. Ich hab alles Wichtige in eine Tasche gepackt – Geld, Sparbuch, Ausweise und so – und dann meinen alten Wecker genommen. Sie kennen doch diese alten Blecheier, oder? Ich bin damit zum Waschbecken gegangen, hab ihn voll Wasser laufen lassen und mit aller Kraft in den eingeschalteten Fernseher geworfen. Es hat einen tollen Knall gegeben, und alles hat gestunken. Das Licht ging nicht mehr an. Kurzschluß. Wenn kein Strom mehr da ist, geht natürlich auch die Alarmanlage nicht. Dann hab ich das Fenster aufgemacht, meine Tasche rausgeworfen und bin hinterher. Ich hab mich am Fensterbrett festgehalten und hängen lassen, damit der Abstand nicht so hoch ist. Dann hab ich versucht, ein bißchen zu schaukeln, und ich hab's irgendwie geschafft, unten in einem kleinen Strauch anzukommen, neben dem Arbeitszimmerfenster.«
Ich war beeindruckt. »Alle Achtung. Ein bißchen kompliziert, aber gut gemacht.«
Sie lächelte etwas verschämt. »Ja, nicht wahr? Ich hatte eine irrsinnige Angst, daß mich doch noch jemand schnappt. Aber keiner hat mich gesehen. Ich bin wie eine Irre zur nächsten Telefonzelle gerannt und hab ein Taxi bestellt. Dann bin ich gleich bis nach Bonn gefahren.«
»Sagen Sie mal, hätte Ihnen nicht Frau Ahrenborn helfen können?«
»Die hat er bestimmt auch eingesperrt. Außerdem kann die sowieso nichts mehr tun. Die hat er so fertiggemacht über die Jahre, die ist nur noch Gemüse.«
Ich überlegte angestrengt. »Anzeige wegen Freiheitsberaubung? Lohnt sich nicht, da kann er sich rausreden, das wäre ein Versehen gewesen mit dem Schlüssel. Und sonst haben wir nichts in der Hand. Wenn Sie davon überzeugt sind, daß er Sie umbringen will ... Ich glaub's Ihnen natürlich, aber die Polizei?«
Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich bin selbst gar nicht mehr so sicher, ob ich nicht einfach durchgedreht habe.«
»Sie haben im Café gesagt, Sie hätten gekündigt?«
»Ja. Ich hab einen Brief auf dem Nachttisch liegen lassen.«
»Ich muß schon sagen! Für durchgedreht haben Sie noch an sehr viele Dinge denken können.«
Sie wirkte irgendwie ganz zufrieden, als sie sagte: »Muß ja alles seine Ordnung haben, nicht wahr? Man kann ja nicht einfach abhauen ... Deswegen will ich mich jetzt krankschreiben lassen.«
Ich ließ den Wagen wieder an.
»Gut. Ich bring Sie zu einem Freund. Dann sehen wir weiter – nein, warten Sie. Wenn Sie Recht haben, könnte doch irgendwer irgendwo warten. Ist zwar unwahrscheinlich, aber sicher ist sicher.«
Wir fuhren zu einem kleinen Ausflugslokal im Vorgebirge. Von dort rief ich Römertopf in seinem Krankenhaus an. Vorsichtshalber nahm ich Susanne mit in die Telefonzelle.
»Was willst du denn schon wieder?«
»Hör mal, Doc, kannst du ganz dringend weg?«
Er fluchte. »Eigentlich nicht, du Saftsack. Was ist denn los?«
»Ziemlich wichtig, in der besagten Angelegenheit. Wahrscheinlich geht es um ein Leben, das müßte dich als Arzt doch reizen. Außerdem eine Dame, also ein klarer Fall für einen Gynäkologen.«
Das Angenehme an guten Freunden ist, daß sie notfalls funktionieren.
»Wirklich wichtig?«
»Edgar, bei was soll ich schwören?«
Ich hörte ihn im Hintergrund murmeln. Dann meldete er sich wieder. »Okay, der Kollege übernimmt. Wo steckst du?«
Ich war besonders vorsichtig. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand mithört, aber für alle Fälle. Weißt du, wo wir in unserer grünen Jugend bei gutem Wetter manchmal zu einem Sonnenuntergangswein gesessen und furchtbar gefressen haben?«
»Mein Gott, machst du es dramatisch. Natürlich weiß ich das. In ner halben Stunde ungefähr.«
Wir setzten uns in eine Ecke, von der aus wir eine gute Übersicht hatten, und bestellten ein wenig zu essen.
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