Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman
drohende Unheil vorauszuahnen schien.
„Ja, Michael Pergande. Soll ich Ihnen die Adresse raussuchen?“
„Danke, nicht nötig. Die haben wir. Entschuldigen Sie bitte, dass wir gleich weiter müssen, aber es ist sehr eilig.“
„Ist irgendetwas passiert?“
„Nein, wir müssen nur dringend mit Ihrer Frau sprechen.“
Steininger und Steinbrecher saßen im Kommissariat und starrten auf den Bildschirm. Die Kollegen aus Gießen hatten die Akten in elektronischer Form vor wenigen Minuten zur Verfügung gestellt. Steininger scrollte die Datenblätter durch.
„Wirklich erstaunlich, dass das alles elektronisch erfasst ist“, sagte Steinbrecher, während er Tabak in ein Papier legte. „Das liegt doch schon so lange zurück.“
„Neue Initiative von ganz oben. Alle ungeklärten Mordfälle der letzten Jahrzehnte wurden elektronisch erfasst und aufgearbeitet. Man hofft, mit Hilfe neuer DNA-Methoden die Täter von damals überführen zu können.“
Steinbrecher versuchte, sich auf die auf dem Bildschirm durchlaufenden Schriftstücke zu konzentrieren. „Halt mal an.“ Er blickte auf eine Zusammenstellung von Fotos der damals vernommenen Freunde des Opfers. Die meisten von ihnen erkannte er wieder, wenn er sie auch nur mit deutlich gealterten Gesichtszügen kennengelernt hatte. „Druck das mal bitte aus.“
In diesem Moment klingelte das Telefon. Die Nummer auf dem Display verriet, dass es Julia Will war. Steinbrecher nahm den Anruf entgegen, während Steininger sich auf den Weg zum Drucker machte.
„Walter. Wir sind jetzt auf dem Weg zu Michael Pergande. Wir vermuten, dass sich auch Annette von Lichtenhagen dort aufhält. Irgendetwas braut sich da zusammen. Wir brauchen dringend Unterstützung. Kannst du das in die Wege leiten? Aber schnell.“
„Klar. Wird erledigt.“ Steinbrecher machte eine Pause. Sein Blick fiel auf den Bildschirm und er glaubte, ein weiteres Gesicht zu erkennen. „Warte mal Julia. Wir haben hier ...“ Steinbrechers Worte verhallten im Nichts. Seine Kollegin hatte aufgelegt.
Michael Pergande genoss die letzten Bissen seines Lammbratens. Gründlich zerkaute er das zarte, hellrosafarbene Fleisch. Es war ihm wirklich vortrefflich gelungen. Außen schön kross und innen butterweich. Schade, dass das Gift so früh gewirkt hatte. So war es Annette nicht mehr vergönnt gewesen, das Lamm zu Ende zu genießen. Pergande schluckte den letzten Bissen hinunter und hob sein Weinglas. Sein Blick fiel auf Annette von Lichtenhagen, deren Kopf auf dem Teller aufgeschlagen war. Er legte Messer und Gabel zur Seite und ging bedächtig um den Tisch. Vorsichtig hob er ihren Kopf aus der Rotweinsoße und betrachtete das Gesicht. Auf den ersten Blick konnte er keinerlei Verletzungen erkennen. Er nahm die Serviette, die sich Annette von Lichtenhagen auf den Schoß gelegt hatte, und wischte ihr Gesicht sauber. Dann schulterte er sie und begab sich auf den Weg in Richtung Kellerabgang. Vorsichtig stieg er Stufe für Stufe nach unten. Nachdem er Annette von Lichtenhagen auf seinen Seziertisch gelegt hatte, ging er noch einmal zurück, räumte Teller und Geschirr aus dem Wohnzimmer in die Küche und löschte das Licht im ganzen Haus.
„Das Haus sieht genauso dunkel aus wie das von Lichtenhagens.“ Bohlan parkte nervös den Wagen. „Vielleicht haben sie sich gar nicht hier getroffen?“
„Ich habe Verstärkung angefordert“, sagte Will und steckte ihr Handy weg. „Wenn die Kollegen da sind, brechen wir die Tür auf.“
„Nein“, sagte Bohlan. „Das werden wir nicht tun.“
„Wie? Ich verstehe nicht.“ Will blickte Bohlan fragend an.
„Wenn wir warten, könnte es zu spät sein. Von Lichtenhagen ist hier.“ Bohlan deutete auf das blaue Beetle-Cabriolet, das einige Meter weiter geparkt stand. „Möglicherweise hat Pergande sie als viertes Opfer auserkoren. Du weißt, es waren auch vier Magier, die Dr. Faust herausgefordert haben. Wir haben bisher erst drei geköpfte Leichen.“
„Was also schlägst du vor?“
„Wir müssen so schnell wie möglich da rein. Komm, und schalte dein Handy aus. Nicht, dass uns das Klingeln verrät.“ Bohlan hechtete aus dem Wagen und sprintete in Richtung Gartentür. Behände und mit erstaunlicher Leichtigkeit überwand er den Zaun. Will blieb für einen Moment wie angewurzelt stehen. Sie war sich in keinster Weise sicher, ob das Vorgehen richtig war. Bohlan hatte mittlerweile die Haustür erreicht und versuchte, sie zu öffnen. Ein Unterfangen, das zum Scheitern
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