Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman
für Lichtenhagens Haus.“ Bohlan griff zum Telefon. Zuerst rief er Klaus Gerding an, der sich gerade zu Bett gelegt hatte und fluchend ins Telefon nörgelte. Danach versuchte er, Staatsanwältin Maurer zu erreichen und erwischte sie auf ihrem Handy. Sie schien ebenso wenig erfreut, an diesem Abend noch einmal ausrücken zu müssen. Von beiden erhielt er das Okay.
Während Polizisten jeden Raum der Villa auf den Kopf stellten, warteten die Kommissare nervös vor der Tür.
„Was machen wir, wenn sie nichts finden?“, fragte Will, nachdem fast eine Stunde vergangen war. Bohlan zog die Abendluft ein und blickte gegen den Himmel, als könnte er von dort eine Eingebung erwarten. „Es gibt noch einen zweiten Ort“, sagte er dann. „Von Lichtenhagens Arbeitsplatz. Die Willy-Brandt-Schule. Vielleicht gibt es dort ein passendes Versteck.“
Steinbrecher und Will sahen Bohlan an. Obwohl es nur ein dahingesagter Satz war, wussten plötzlich alle, dass Tom Bohlan ins Schwarze getroffen hatte.
„Dachte ich es mir doch.“ Bohlan starrte fassungslos auf eine Regalwand mit diversen Exponaten, tote Frösche, Vögel, Innereien und zwischendrin drei große gläserne Behältnisse, aus denen ihn Natascha, Lea und Andreas Fischer anstarrten.
„Das ist so was von widerlich“, würgte Will heraus und verließ mit vor den Mund gehaltener Hand den Kellerraum. Steinbrecher folgte ihr. Bohlan und Steininger starren noch einen Moment länger fassungslos auf die Gläser.
„Wenn das hier Lea ist“, sagte Bohlan und deutete auf eines der drei Gläser, „dann muss der Kopf, den wir bei Pergande gefunden haben, von Marie Kilb sein“.
Steinbrecher nickte. „Ist dir die Ähnlichkeit der beiden Mädchen aufgefallen?“
„Jan, du hast recht.“ Bohlan schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. „Das ist es, was mir vorhin komisch vorkam. Das Mädchen auf dem Foto. Es ist Lea wie aus dem Gesicht geschnitten. Das muss der Schlüssel zur Lösung des Falls sein. Komm, wir schauen nach Julia.“
Vor der Tür trafen sie auf Dieter Pfannenmüller, den Hausmeister der Schule. Er hatte ihnen vor wenigen Minuten die Tür zu von Lichtenhagens Büro aufgeschlossen und einen Schlüsselkasten aus Metall aufgebrochen, der dort an der Wand hing. In diesem hatten sie einen Schlüssel mit schwarzem Anhänger gefunden. Pfannenmüller erinnerte sich nach kurzem Nachdenken, dass es sich um einen Kellerraum handeln musste, den nach seinem Wissen seit etlichen Jahren niemand mehr betreten hatte. Von Lichtenhagens Vorgänger hatte die Schlösser austauschen lassen und nur einen einzigen bei sich behalten.
„Was ist denn nun in dem Raum?“, drängte Pfannenmüller. „Um die paar toten Frösche werden Sie ja nicht solch ein Aufsehen veranstalten.“
„Kann ich Ihnen leider nicht verraten“, sagte Bohlan, während er auf der Bedienoberfläche seines iPhones herumtippte. Nachdem er eine Mail an Barbara geschickt hatte, wandte er sich Julia Will zu, die an der Hauswand lehnte und ziemlich blass im Gesicht war. „Wie geht es dir?“
„Wird schon wieder.“
„Ich hätte dich vorhin nach Hause schicken sollen. Du hast gearbeitet bis zum Umfallen und dann dieser Schlag auf den Kopf. Das war mindestens eine Gehirnerschütterung. Du solltest dich krankschreiben lassen.“
„Lass gut sein, Tom. Es war meine Entscheidung. Ich bin selbst für mich verantwortlich.“
Obwohl Bohlan wusste, dass sie recht hatte, machte er sich weiterhin Vorwürfe. Immerhin konnte er Will davon überzeugen, dass es besser wäre, sie jetzt nach Hause zu fahren. Nachdem er Will in Niederursel abgesetzt hatte, fuhr er weiter nach Höchst. Dort angekommen, holte Bohlan eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich auf einen der alten Holzliegestühle, die auf dem Deck standen. Wenig später klingelte es. Bohlan schleppte sich zur Tür und öffnete.
„Nettes Zuhause“, sagte Professor Claussen und hielt Bohlan eine Flasche Rotwein entgegen. Unter dem anderen Arm hielt er eine Shisha.
„Wenn schon Frieden, dann mit Pfeife“, sagte Claussen, der Bohlans Blick auf die Wasserpfeife bemerkt hatte. „Oder lassen Sie mich wegen Drogenbesitzes verhaften?“
„Quatsch“, antwortete Bohlan und schloss die Tür.
Claussen sah sich interessiert um. „Ich dachte, solche Boote gibt es nur in Amsterdam. Respekt.“
„Auch Frankfurt hat seine idyllischen Seiten. Kommen Sie an Deck. Ich hole schnell zwei Gläser.“ Er hatte die Verabredung mit Claussen völlig vergessen
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