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Mord am Oxford-Kanal

Mord am Oxford-Kanal

Titel: Mord am Oxford-Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Tracht!
    Ach, Morse, du alter Esel,
schlaf jetzt endlich ein!
    Gegen halb acht, nachdem man
ihm zum Frühstück nicht mehr als Weetabix mit sehr, sehr wenig Magermilch (und
ganz ohne Zucker!) serviert hatte, sah Morse mit tiefer Befriedigung zu, wie
man das kleine Schild über seinem Bett mit der Aufschrift «NICHTS ORAL»
entfernte. Er fühlte sich wie eine befreite Geisel. Wieder wurden Puls und
Blutdruck gemessen, er wurde gewaschen, sein Bett wurde gerichtet, er erhielt
eine neue Karaffe mit Wasser, flirtete ein wenig mit Susi, erstand eine Times und empfing aus den Händen der gutgelaunten Violet eine Tasse Bovril. So ging
ein Großteil des Vormittags in friedlicher Routine dahin, und nicht einmal
Nessie unternahm etwas, diese erfreulich harmonische Atmosphäre zu stören.
Gegen zehn vor elf tauchte eine Schar weißgekleideter Ärzte an Morses Bett auf,
um sich über seine Fortschritte zu informieren. Der Oberarzt betrachtete Morse,
nachdem er einen kurzen Blick in dessen Krankenakte geworfen hatte, mit einem
ironischen kleinen Lächeln.
    «Nun, wie fühlen Sie sich
heute?»
    «Ich denke, ich werde noch
etwas am Leben bleiben — dank Ihrer Bemühungen», antwortete Morse und schämte
sich gleich darauf ob seiner Anbiederei.
    «Hier ist die Rede von Ihren
Trinkgewohnheiten», fuhr der Oberarzt fort. Morses oberflächliche
Dankesbezeigungen hatten ihn offenbar nicht besonders milde gestimmt.
    «Ja?» fragte Morse vorsichtig.
    «Sie trinken ziemlich viel.» Es
war eine Feststellung.
    «Sie finden das viel?»
    Der Oberarzt schloß die Akte
und reichte sie mit einem Seufzer zurück an Nessie. «Während der langen Zeit,
die ich schon als Arzt tätig bin, Mr. Morse, habe ich gelernt, zwei Angaben
grundsätzlich zu mißtrauen, und zwar was die Potenz von Diabetikern und den
Alkoholkonsum von Männern der Mittelschicht angeht.»
    «Ich bin kein Diabetiker.»
    «Nein, aber wenn Sie weiter pro
Woche eine Flasche Whisky trinken, wird es nicht mehr lange dauern.»
    «Also jede Woche eine Flasche
Whisky stimmt nicht.»
    «Sie meinen, es sind oft auch
zwei.»
    Morse verschwörerisch
zublinzelnd, forderte er die Ärzte in seinem Gefolge mit einer Handbewegung
auf, sich schon einmal mit dem nächsten Patienten zu beschäftigen, und setzte
sich bei Morse auf die Bettkante.
    «Haben Sie sich schon einen
Schluck genehmigt?»
    «Schluck von was?»
    Der Oberarzt griente. «Das
Einwickelpapier hat Sie verraten.»
    «Oh!»
    «Also: Heute noch nicht! In
Ordnung?»
    Morse nickte.
    «Und noch einen guten Rat.
Warten Sie, bis die Oberschwester ihren Dienst beendet hat.»
    «Die würde mir bei lebendigem
Leib die Haut abziehen», murmelte Morse.
    Der Oberarzt nickte grinsend.
«Ja, das könnte ich mir gut vorstellen. Aber daran habe ich nicht gedacht.»
    «Noch etwas Schlimmeres?»
    «Schwester Maclean ist, was die
Dienstauffassung angeht, sicherlich die strikteste von allen Oberschwestern
hier. Aber Sie dürfen nicht vergessen, sie kommt von nördlich der Grenze...»
    «Ich glaube, ich weiß nicht so
recht, was Sie damit...»
    «Ganz einfach. Sie würde
vermutlich, wenn sie Sie erwischte» (der Oberarzt beugte sich vor und flüsterte
in Morses Ohr), «die Vorhänge zuziehen und darauf bestehen, daß Sie mit ihr
teilen!»
    Morse lachte. So langsam begann
er sich hier richtig wohl zu fühlen. Nachdem er sich ungefähr zwanzig Minuten
der Times gewidmet hatte (Leserzuschriften überflogen und
Kreuzworträtsel gelöst), holte er mit einem wohligen Seufzer das Blaue
Billett aus seinem Nachttisch, bog sorgfältig den Einbanddeckel zurück und
begann mit dem ersten Kapitel.
    «Ein spannendes Buch?»
    Morse zuckte zusammen. «So
lala!» Er hatte gar nicht gemerkt, daß Susi an sein Bett getreten war.
    «Wie heißt es denn?»
    «Das... äh... Die blaue
Stadt.»
    «Das ist ein Kriminalroman,
nicht? Ich glaube, den hat meine Mutter auch gelesen.»
    Morse nickte unbehaglich. «Und
Sie? Lesen Sie viel?»
    «Früher mal, als ich noch jung
und hübsch war», sagte sie kokett. «Und jetzt setzen Sie sich bitte mal auf.»
    Morse beugte sich nach vorn,
damit sie ihm die Kissen aufschütteln konnte.
    «Hübsches Mädchen, nicht wahr?»
Die Bemerkung kam von Greenaway, der sich offenbar wieder etwas erholt hatte.
Er hielt ein Buch in den Händen mit dem unverfänglichen Titel Das Zeitalter
des Dampfes.
    Morse schob das Blaue
Billett so unauffällig wie möglich in die Nachttischschublade. Es war
sowieso nicht ganz das, was er sich versprochen hatte.
    «Das

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