Mord am Vesuv
vortrat.
Der Sklave hob die Trompete und blies einmal kräftig und ausdauernd hinein. Als der schaurige hohe Ton erklang, verstummte die Menge. Im nächsten Moment ertönte lautes Hufgetrappel und, angeführt von Subli-cius Panda, der seine Rüstung auf Hochglanz poliert hatte, ritt die turma auf dem Forum ein. Die Reiter nahmen, der Menge zugewandt, vor dem Podium Aufstellung.
»Praetor!«, rief Vibianus. »Das ist wirklich nicht nötig! Es besteht keinerlei Gefahr!«
Ich stand zum ersten Mal während des Prozesses auf. »Ich will hier auch gar nicht erst den Hauch irgendeiner Gefahr aufkommen lassen! Bei meinen Gerichtsverhandlungen hat Ordnung zu herrschen, und ich werde dafür sorgen, dass sie auch eingehalten wird! Während der Verhandlung haben alle Zuschauer zu schweigen!« Natürlich war es vergebliche Liebesmüh, einen bunt zusammengewürfelten Haufen von Italiern jeder Herkunft um absolute Ruhe zu bitten. »Beim ersten Anzeichen von Aufruhr werde ich diesen Männern den Einsatz befehlen. Falls ihr das für eine leere Drohung halten solltet, darf ich euch daran erinnern, dass ich bislang alle meine Ankündigungen wahr gemacht habe und auch vor den härtesten Maßnahmen nicht zurückschrecke.« Ich ließ meinen Blick über die Menge schweifen und sah Missbilligung, aber keinen offenen Widerspruch. »Also gut, Vibianus, dann fahre fort, aber ich ermahne dich, auf jede aufwieglerische Demagogie zu verzichten.«
Er neigte den Kopf ein wenig zur Seite und sagte kühl: »Wie du befiehlst, Praetor.« Dann zog er sich ein weiteres Mal die Toga zurecht. »Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, genau, bei der offen zu Tage liegenden und eindeutigen Schuld des jungen Gelon. Wie ich bereits nachgewiesen habe, hatte er sehr wohl ein Motiv, Gorgo umzubringen. Als Nächstes werde ich beweisen, dass er für sein Verbrechen auch ausreichend Gelegenheit hatte.«
Er machte eine kurze Pause und fuhr fort. »An dem Abend, an dem Gorgo ermordet wurde, waren die meisten bedeutenden Männer dieser Gegend, genau wie der Praetor selbst übrigens, im Hause des duumvir Norba-nus zu Gast bei einem Festgelage.
Auch Gaeto war dort, der verstorbene Vater des Angeklagten.
Diocles, der Vater des Mordopfers, hielt sich in Cumae auf. Die Luft war also rein, sozusagen, die beiden konnten sich ungehindert treffen. Ge-lon in der Hoffnung auf eine Liebesnacht, und Gorgo mit der Absicht, ihrem Verehrer weitere Nachstellungen zu untersagen. Praetor, ich würde jetzt gerne Jocasta ein paar Fragen stellen, der Witwe des Sklavenhändlers.«
»Bitte«, erteilte ich ihm die Erlaubnis.
Jocasta trat vor, diesmal in ein schlichtes griechisches Gewand gehüllt und mit dezentem Schmuck behängt. Das einzig Auffällige an ihr war heute ihr wallendes, leuchtend rotes Haar.
Sie leistete den üblichen Eid und wartete ruhig. Ihr Gesicht verriet nicht, was in ihr vorging.
»Jocasta«, begann Vibianus, »wo warst du in der fraglichen Nacht?«
»In meinem Stadthaus in Baiae.«
»Und wo war dein Stiefsohn Gelon?«
»Er war auch dort.«
»War er die ganze Nacht da?«
»Er war auf jeden Fall am frühen Abend da. Wir haben gemeinsam zu Abend gegessen. Anschließend habe ich mich in mein Schlafgemach zurückgezogen.«
»Und ist Gelon nach dem Essen im Haus geblieben?«
»Ich … das kann ich nicht sagen. Ich nehme es an.«
»Annahmen sind vor Gericht nicht viel wert«, stellte Vibianus klar. »Kannst du bezeugen, dass Gelon sich die ganze Nacht über in deinem Haus aufgehalten hat?«
»Nein. Das kann ich nicht.« Die Antwort provozierte ein allgemeines Getuschel.
»In Wahrheit, liebe Mitbürger«, rief Vibianus an die Menge gewandt, »kann niemand bezeugen, Gelon in der fraglichen Nacht gesehen zu haben! Diese Frau hat ihn am frühen Abend gesehen. Dann wurde er erst wieder gesehen, als am nächsten Morgen die Männer des Praetors kamen, um ihn in Gewahrsam zu nehmen. Findet es denn außer mir niemand seltsam, dass dieser … dieser sich wie ein Prinz gebärdende junge Mann sich an jenem Abend nicht mit seinen Freunden vergnügt hat? Und er hat viele Freunde! Normalerweise pflegen junge Männer seines Alters im Haus eines Freundes zu speisen und anschließend in einer der zahlreichen Vergnügungsstätten zu zechen, an denen in Baiae wahrlich kein Mangel herrscht. Passt es zu so einem jungen Mann, an einem ganzen Abend nichts anderes zu tun, als bei seiner Stiefmutter zu speisen und dann ins Bett zu gehen?
Als ich in dem Alter war, wäre ich jedenfalls
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