Mord am Vesuv
kindisch«, berichtigte ich sie. »Aber vielleicht wollte der Grieche ja auch dich bestechen und nicht mich.«
»Die Fläschchen sind aus babylonischem Glas«, sagte Antonia. »Das ist das feinste Glas, das es gibt. Kann dieser Grieche mich nicht auch mal bestechen? Bei mir ist er herzlich willkommen.«
»Ich bin mir gar nicht so sicher, ob wirklich der Grieche dahinter steckt«, stellte ich fest.
»Wer dann?«, fragte Julia. »Manius Silva?«
»Immerhin sind er und Diogenes Partner«, erwiderte ich.
»Wenn Silva mich bestechen wollte, wäre es doch sinnvoll, seinen ausländischen Partner vorzuschicken und sich nicht die eigenen Hände schmutzig zu machen.«
»Und wenn der Grieche nur ein verrückter Spieler ist, der gerne mit kostspieligen Geschenken um sich wirft?«, gab Circe zu bedenken.
Für diese Erwägung erntete sie eine Lachsalve. Als sich alle wieder beruhigt hatten, klärte Hermes sie auf: »Ich habe mich erkundigt. Diogenes ist nicht nur Grieche, er ist Kreter. Und wie jedermann weiß, sind die Bewohner von Kreta geborene Lügner und Verschwörer. Sie würden nicht einmal unter Folter die Wahrheit sagen.«
»Ich konnte die Kreter noch nie ausstehen«, sagte Antonia.
Dafür hatte sie auch gute Gründe. Ihr Vater war unter dem Namen Antonius Creticus bekannt. Aber der Beiname Creticus war nicht etwa ein vom Senat verliehener Ehrenname; er war ihm als Spottname vom Volk verpasst worden, weil er sich von den Kretern hatte besiegen lassen. Wenn man mich fragt, hat ein Römer, der sich von den Kretern schlagen lässt, weitaus Schlimmeres verdient als nur einen spöttischen Beinamen.
»Und was hast du sonst noch über den Griechen herausgefunden?«, wollte Julia von Hermes wissen.
»Dass er gerade von seiner alljährlichen Einkaufstour zurückgekehrt ist. Offenbar unternimmt er jedes Jahr eine Reise zu den großen Märkten von Alexandria, Antiochia, Zypern, Berytos und so weiter. Er ist ungefähr ein halbes Jahr unterwegs, kommt dann zurück und verbringt den Rest des Jahres hier in Baiae.«
»Und was hast du über Silva herausgefunden?«, fragte ich ihn. »Du wirst ja wohl nicht nur im Leben des Griechen herumgeschnüffelt haben.« Hermes war mein Freigelassener und Klient. Aber er hielt sich auch für meinen Beschützer; denn genau wie meine Familie war auch er der Meinung, dass ich nicht selbst auf mich aufpassen konnte, und verspürte deshalb den geradezu zwanghaften Drang, allem und jedem nachzugehen, das eine Bedrohung für mich darstellen könnte, wie zum Beispiel eben dieser Grieche mit seiner rätselhaften Bestechung.
»Manius Silva ist der Sohn eines Freigelassenen. Seine Frau stammt aus einer angesehenen Familie Baiaes. Allerdings kursiert das Gerücht, dass sie eine Zeit lang als Prostituierte gearbeitet hat, nachdem man ihren Vater während der Proskriptionen Sullas ruiniert hatte.«
»Hab ich mir doch gleich gedacht«, stellte Circe fest.
»Welche anständige Frau trägt denn auch so einen Riesenklunker im Bauchnabel?«
»Was hast du noch erfahren?«, forderte ich Hermes auf fortzufahren.
»Silva besitzt am Stadtrand eine große Parfümerie, sie liegt direkt am Meer. Neben den Düften, die er auf fernen Märkten kauft, bringt Diogenes ihm von seinen Reisen auch jede Menge exotische Inhalts- und Zusatzstoffe mit. In dem Parfümeriebetrieb wird offenbar gemischt, verschnitten und verfeinert, was das Zeug hält.«
»Erinnert ihr euch an das Gebäude, an dem wir auf dem Rückweg vom Tempel des Neptun vor zwei Tagen vorbeigekommen sind?«, warf Julia ein. »Es duftete geradezu atemberaubend.«
»Ja«, seufzte Circe, »nach sämtlichen Blumen der Welt und nach Moschus und Amber …«
»Moschus und was?«, hakte ich nach.
»Amber«, klärte Julia mich auf. »Eine mysteriöse, wachsartige Substanz, die im Meer herumschwimmt. Wie mir ein Naturforscher aus dem Museion von Alexandria erzählt hat, handelt es sich wahrscheinlich um ein Sekret aus den Mägen von Walen, das die Tiere erbrechen, wenn ihnen schlecht ist.«
Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. »Willst du sagen, dass man aus Walkotze Parfüm macht?«
»Wenn du wüsstest, was sonst noch alles zu Parfüm verarbeitet wird!«, sagte Antonia. »Von einigen Tieren nimmt man die Plazenta, von anderen die Analdrüsen …«
»Hör auf!«, bat ich und schloss die Augen. »Es gibt Dinge, die man besser nie weiß.«
Schließlich kam der Abend, an dem wir bei Norbanus und seiner Gattin mit den vergoldeten Brustwarzen eingeladen
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