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Mord am Vesuv

Mord am Vesuv

Titel: Mord am Vesuv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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dünnen Leichentuch bedeckt. Zu ihren Füßen hockten zwei ihrer Sklavinnen mit vom Weinen geröteten Augen und immer noch wehklagend auf dem Marmorboden. Es waren die blonde Leto und die aus Germanien stammende Gaia. Zum Zeichen ihrer Trauer hatten sie sich die Gewänder zerrissen.
    »Ihr Scheiterhaufen wird vor dem Familiengrab hergerichtet«, erklärte der Priester. »Ihre Asche soll neben der ihrer Vorfahren ruhen.«
    »Wir kommen auf jeden Fall zur Bestattung«, versprach Julia.
    »Ich würde mir gerne die Gemächer deiner Tochter ansehen, Diocles«, wandte ich mich an den Priester.
    Mein Wunsch riss ihn jäh aus seiner Verbeugung empor.
    »Wie bitte?«
    »Eine reine Formsache«, versuchte ich ihn zu beruhigen und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Damit die Verhandlung angemessen vorbereitet werden kann. Es ist dir doch sicher lieber, wenn ich mich selber um die Sache kümmere und nicht irgendeinen iudex damit betraue, oder?«
    »Ich … ja, selbstverständlich, Praetor. Ich, äh, weiß dein diplomatisches Verhalten in dieser delikaten Angelegenheit durchaus zu schätzen.«
    Wir folgten ihm durch eine hinter der Apollostatue gelegene Tür in einen schönen Garten, an dessen Ende sich ein bescheidenes, im nüchternen griechischen Stil errichtetes Haus befand. Der Priester führte uns in den Innenhof und deutete auf einen winzigen Raum, der nicht mehr war als eine Schlafkammer. Die einzigen Möbel in der Kammer waren ein schmales Bett, eine Kleidertruhe, ein Stuhl und ein kleiner Kosmetiktisch. Während Julia die Kosmetika ins Visier nahm, tastete ich die dünne Pritsche ab. Anschließend beugte ich mich über die Fensterbank und untersuchte das Gemäuer auf Jose Ziegel oder irgendwelche anderen Verstecke.
    Am liebsten hätte ich Diocles gebeten, uns allein zu lassen, aber mir fiel nichts ein, um ihn dezent hinauszukomplimentieren. Er beobachtete mit ausdrucksloser Miene, wie Julia den Deckel der Truhe öffnete und den Inhalt durchstöberte. Als sie fertig war, sah sie mich an und schüttelte den Kopf.
    »Ist alles zufriedenstellend?«, fragte der Priester förmlich.
    »Ja«, erwiderte ich. »Und wo schlafen die Sklavinnen deiner Tochter?«
    Er schien überrascht. »Nebenan. Warum willst du das wissen?«
    »Gehört alles zu meinen Ermittlungen. Ich möchte mir den Raum ansehen.«
    »Nun gut, folge mir bitte!«
    Wir betraten den benachbarten Raum, in dem drei Schlafpritschen und eine große Gemeinschafts-Kleidertruhe auf engstem Raum standen, und nahmen auch hier alles gründlich in Augenschein.
    »Wo ist Charmian?«, fragte ich, während ich die spartanischen Betten inspizierte.
    »Sie unterzieht sich gerade einer Züchtigung«, erwiderte Diocles.
    Die Worte ließen mich zusammenfahren. Ich machte mir Vorwürfe. Warum hatte ich nicht schon früher mit dem Priester geredet? »Ich habe den Mädchen gestern Nacht versprochen, dass du sie nicht bestrafen wirst, wenn sie mir wahrheitsgetreu berichten, was sie gesehen haben. Natürlich gehört es sich nicht, anderen vorzuschreiben, wie sie ihre Haushaltsmitglieder zu behandeln haben - aber ich möchte dich doch erinnern, dass es hier um die Ermittlungen in einem Mordfall geht.«
    »Diese Züchtigung hat nichts mit den, äh, Vorfällen der vergangenen Nacht zu tun, Praetor. Sie wird für eine ganz andere Sache bestraft.«
    »Verstehe. Ich denke, wir sind hier fertig. Entschuldige bitte, Diocles, und danke für deine Nachsicht. Aber es musste leider sein.«
    Er neigte würdevoll den Kopf. »Du hast lediglich deine Pflicht getan, Praetor, dafür musst du dich nicht entschuldigen.
    Ich danke dir nochmals für deine Diskretion.«
    Wir verabschiedeten uns von ihm und verließen das Tempelgelände. Auf dem Rückweg zum Haus zeigten wir uns gegenseitig unsere Beute.
    »Was hast du gefunden?«, fragte ich Julia.
    Sie holte eine kleine, mit einem Band zusammengehaltene Schriftrolle hervor. »Das ist alles, was ich habe. Die Rolle steckte in einer alten Handtasche und lag ganz unten in der Kleidertruhe der Sklavinnen. Als du den Priester abgelenkt hast, habe ich sie schnell unter meine Stola geschoben. Und du?«
    »Gorgo hatte etwas in ihrem Bett versteckt. Ich habe eine harte Delle ertastet. Ich schicke heute Abend Hermes los; immerhin ist er ein begnadeter Dieb. Außerdem dürfte er dann ungestört sein, da alle an der Bestattungsfeier teilnehmen werden.«
    »Ist dir an dem Altar etwas aufgefallen?«, fragte Julia.
    »O ja. Ein oder zwei Stunden vor unserer Ankunft hatte

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