Mord am Vesuv
waren die meisten Bestattungsreden.
Als seine letzten Worte verhallt waren, nahm Diocles eine der Fackeln und zündete damit den Scheiterhaufen an. Auch beim Aufschichten dieses Haufens hatte man Zurückhaltung walten lassen und keinen protzigen, fünfundzwanzig Fuß hohen Stapel aus Holzscheiten errichtet, sondern gerade ausreichend Holz genommen, um die Leiche auf angemessene Weise einzuäschern. Das Holz allerdings war in Zedernöl getaucht worden, und die Sklaven warfen Weihrauch in die Flammen, der genauso wie das aro-matisierte Holz säckeweise von Manius Silva gestiftet worden war.
Als die Zeremonie beendet war, lud ich die anwesenden Trauergäste noch auf eine kleine Erfrischung ein. Im Laufe des Tages hatte ich ein paar Sklaven angewiesen, aus der Villa Hortensia Tische herbeizuschaffen und sie in der Nähe des Grabes aufzustellen. Für den Fall, dass es regnete, waren die Tische mit einem Segel überspannt worden. Die Sklaven reichten süßen Kuchen und mit Honig gesüßten Wein, was seit den Trauerfeierlichkeiten aus Anlass des Todes von Scipio Africanus vor mehr als 130 Jahren das traditionelle römische Bestattungsmahl ist; in Scipios Tagen galt das süße Gebäck allerdings noch als eine ausgesprochene Luxusspeise.
»Wie gut, dass wir auf die umfangreichen Vorräte der Villa zurückgreifen können«, stellte Julia fest. »Früher konnten wir es uns nie erlauben, so großzügig zu sein.« Sie trug eine dunkle Stola und darüber emepalla, mit der sie ihren Kopf bedeckt hatte. Die meisten der anwesenden Frauen waren in dieser Weise gekleidet.
»Da kann ich dir nur zustimmen«, pflichtete ich ihr bei. Zu leben und sich zu geben wie ein Großgrundbesitzer hatte durchaus seine Annehmlichkeiten, und ich musste mich selbst ermahnen, dieser Verführung nicht allzu bereitwillig zu erliegen.
Man gewöhnt sich nur zu schnell an so ein Leben und fängt an, nach Mitteln und Wegen zu suchen, es ein wenig zu verlängern.
Und bevor man sich versieht, wächst die Neigung, sittliches Fehlverhalten zu akzeptieren und um die Gunst unwürdiger Mitmenschen zu buhlen. Kurz gesagt: Ein solches Dasein ist zutiefst korrumpierend.
Natürlich gibt es auch Männer, die in der Korruption nichts Verwerfliches sehen, ich weise nur auf meinen Wohltäter Quintus Hortensius Horta-lus hin. Er hat seine ganze Karriere auf Korruption gebaut und ist damit ziemlich gut gefahren.
Der Seidenimporteur Mopsus gesellte sich zu uns und bedankte sich für die Einladung. »Praetor, diese Großzügigkeit wird dein Ansehen unter den Bewohnern auf jeden Fall mehren, dabei ist es ohnehin schon sehr hoch. Sag mir, hat der Sohn des Sklavenhändlers schon gestanden?«
»Er beharrt fest auf seiner Unschuld«, erwiderte ich.
»Das war wohl nicht anders zu erwarten. Dann wird es also demnächst einen Prozess geben.«
»Wir werden uns streng an die Gesetze halten«, versicherte ich ihm.
»Natürlich, natürlich«, stimmte er mir beflissen zu, »aber je schneller der Schuft verurteilt und hingerichtet wird, desto eher wird hier wieder Normalität einkehren.«
Mopsus war nur der Erste. Als er gegangen war, kamen die lokalen Honoratioren einer nach dem anderen zu mir, nahmen mich bei der Hand und redeten auf mich ein. Ein Prozess sei doch gar nicht nötig, der Junge sei auf jeden Fall schuldig; warum solle man unnötig Zeit verschwenden?
»Merkwürdig«, wandte ich mich an Julia, als die Trauergäste sich auf ihren Heimweg nach Baiae und in die umliegenden Orte gemacht hatten. »Was die Schuld von Gelon angeht, scheinen sie alle einer Meinung zu sein.«
»Sie verachten den Sklavenhändler eben alle«, erwiderte Julia. »Daher ist es kein Wunder, dass sie seinem Sohn das Schlimmste zutrauen.«
»Aber so viel scheinen sie in Wirklichkeit gar nicht gegen den Sklavenhändler zu haben«, wandte ich ein. »Es kommt mir so vor, als wären sie vor allem darauf aus, dass die Sache möglichst schnell erledigt wird - wie auch immer.«
»Aber warum?«, überlegte Julia. »Für so viel Unruhe hat die Geschichte doch gar nicht gesorgt, und das Leben geht hier weiter seinen gewohnten Gang.«
»Wie du ja selber gesagt hast, haben die meisten Menschen irgendetwas auf dem Kerbholz oder irgendetwas zu verbergen«, versuchte ich eine Erklärung. »Vielleicht wollen sie einfach keine umfangreiche Untersuchung.«
Ein Wechsel der Windrichtung trieb uns den wohlriechenden Duft von Zedernöl in die Nase; ganz leicht ahnte man den Geruch von verbranntem Fleisch. »Warum
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