Mord am Vesuv
Düfte erhält, die ihren jeweiligen Originalen so nahe kommen, dass jemand, der sich nicht mit Parfümen auskennt, sich davon ohne weiteres täuschen lässt.«
»Und wer genau hat dir das erzählt?«, wollte ich wissen.
»Gewisse Leute, die an der Herstellung dieser Produkte mitwirken«, erwiderte er.
Silva sprang auf. »Praetor!«, rief er erbost. »Ich erhebe Einspruch! Eine Aussage von gekauften Sklaven ist wertlos.«
»Setz dich!«, befahl ich ihm. »Du kommst gleich an die Reihe. Aber er hat Recht, Celsius: Die Aussage von gekauften Sklaven ist wertlos. Du musst schon etwas mehr bieten.«
Er geriet ein wenig ins Stottern. »Welche Art von Beweis würde dich denn zufrieden stellen, Praetor?«
»Mich musst du überhaupt nicht zufrieden stellen«, belehrte ich ihn. »Du musst die Geschworenen überzeugen.« Bei diesen Worten ließ ich meine Hand über die etwa 80 bis 90 Männer schweifen, die gelangweilt auf ihren Bänken hockten. Nach der sullanischen Verfassung waren sie allesamt Equites und mussten mindestens ein Vermögen von 400000 Sester-zen besitzen.
Natürlich ließen sie sich eher durch ein ordentliches Bestechungsgeld überzeugen als durch Beweise, aber das würde ich auf keinen Fall zulassen.
»Vielleicht wäre es sinnvoll«, fuhr ich fort, »du würdest selber einige von diesen gefälschten Parfümen herstellen und uns erklären, wie sie sich von den Originalen unterscheiden.«
»Ich … darauf habe ich mich nicht vorbereitet«, erwiderte er kleinlaut.
»Das hättest du aber besser tun sollen«, wies ich ihn zurecht.
»Außerdem, verehrter Praetor, bist du kein Parfümeur«, versuchte er sich aus der Affäre zu ziehen. »Du würdest den Unterschied sowieso nicht erkennen.«
»Wenn nur ein Experte den Unterschied zwischen dem Original und einer Fälschung erkennen kann, wieso bezahlen wir dann überhaupt so viel Geld für dieses Zeug?«, verlangte ich zu wissen.
»Praetor!«, rief er entrüstet, fing sich aber schnell wieder und fuhr in gemäßigterem Ton fort: »Wir sind vom eigentlichen Thema ziemlich weit abgekommen.«
»Das mag schon sein«, räumte ich ein und schlug dann unbeirrt vor:
»Vielleicht sollte meine Frau mir helfen. Was Parfüme angeht, hat sie eine unfehlbare Nase.«
»Praetor …«, setzte Celsius zu einer Erwiderung an, doch in diesem Augenblick fiel mit einem lauten Klirren die erste Eisenkugel in die Schale. »Das ist nicht gerecht!«, protestierte er lautstark. »Ich hatte überhaupt keine Gelegenheit, meine Sicht des Falles ausreichend darzulegen.«
»Das ist dein Problem«, entgegnete ich. »Wir wollen jetzt die andere Seite hören. Wenn du Glück hast, vertreten sie ihre Sache ja noch schlechter als du. Silva, hast du einen Anwalt mit der Verteidigung beauftragt?«
Manius Silva erhob sich und zog mit großer Geste seine Toga zurecht. »Das dürfte kaum erforderlich sein, Praetor. Wenn es deine Billigung findet, werde ich selber die Vorwürfe im Namen meines Freundes Diogenes widerlegen.«
»Du brauchst meine Billigung nicht. Wenn du soweit bist, leg los.« Ich nickte dem Zeitnehmer zu, und er setzte erneut die Wasseruhr in Gang.
»Als Erstes, verehrter Praetor, Richter von Baiae und liebe, hochangesehene Geschworene, lasst mich darauf hinweisen, dass dieser Celsius ein missgünstiger Konkurrent von Diogenes ist und ihm den Erfolg neidet. Deshalb steht seine Aussage unter dem Verdacht, eigennützige Interessen zu verfolgen. Aus welchem Grund wohl sollte er diese Vorwürfe gegen Diogenes erheben, wenn nicht aus dem, dass er ihm geschäftlich unterlegen ist?«
Er ließ seine Worte kurz wirken und fuhr dann fort: »Die Wahrheit ist, dass Diogenes diese berühmten Parfüme keineswegs zu überhöhten Preisen verkauft. Nein, er verkauft sie so günstig, dass andere Parfümeure nicht mithalten können, wenn sie ihre Produkte nicht mit Verlust unters Volk bringen wollen. Und nun vermuten sie, dass Diogenes seine Parfüme nur deshalb so billig verkaufen kann, weil er sie gepanscht hat. In Wahrheit aber ist er einfach ein besserer Geschäftsmann als seine Konkurrenten.«
An dieser Stelle ließ er seinen ausgestreckten Arm über die Zuhörerschaft schweifen. »Während all diese Männer hier in Baiae ihre Sklaven beaufsichtigen, alle Annehmlichkeiten dieser liebenswerten Stadt genießen und sich ein schönes Leben machen, verbringt Diogenes die Hälfte eines jeden Jahres auf gefährlichen Reisen, auf denen er der tosenden, weindunklen See die Stirn bieten muss, die
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