Mord am Vesuv
ich ihm zu, »aber wie es scheint, haben die Zeiten sich geändert.«
»Dabei hast du ihm schon jede Menge Gefallen getan«, knurrte Hermes mürrisch. »Wenigstens schienen Quintus und Tiro bereit, uns zu helfen.«
»Ich bin nicht sicher, ob sie oder irgendjemand sonst uns wirklich helfen können«, grübelte ich laut und dachte angestrengt nach.
»Was ist denn plötzlich mit ihm los?«, fragte Marcus verwirrt.
»Das hat er manchmal«, klärte Hermes ihn auf. »In diesem Zustand ist es zwecklos, mit ihm zu sprechen.«
In meinem Kopf kreisten alle möglichen Gedanken, und ich war noch zu keinem Schluss gekommen, als wir die Villa erreichten und Julia über mich herfiel.
»Du musstest dich also unbedingt mit dieser Schlampe des Sklavenhändlers treffen«, giftete sie, als ich noch nicht einmal aus der Sänfte gestiegen war.
»Schlampe?«, entgegnete ich. »Nach allem, was wir bisher wissen, scheint sie eine absolut untadelige Frau zu sein.«
»Verschone mich mit diesem scheinheiligen Gequatsche!
Darüber werden wir später noch ein Wörtchen reden. Jetzt müssen wir erst einmal zu Abend essen. Der Diktator von Stabiae und seine Frau sind zu Besuch, außerdem haben sie noch ein paar weitere Würdenträger dieser Stadt mitgebracht.
Reiß dich also zusammen, zeig, dass du noch einen Rest an gravitas hast, und versuch dich anständig zu benehmen und kein dummes Zeug zu reden.«
Sie tat mir wirklich Unrecht, denn seitdem ich die purpurgesäumte Toga trug, bemühte ich mich ernsthaft, meinen Weinkonsum zu zügeln und meine Zunge im Zaum zu halten.
Sie hätte sich ihre Ermahnung also getrost sparen können.
Das Essen war jedenfalls ein voller Erfolg. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass der Diktator in Städten wie Sta-biae, Lanuvium und einigen anderen Orten im Grunde nichts anderes war als der ranghöchste Beamte. Auf keinen Fall war er mit einem Diktator Roms zu vergleichen, der über umfassende Vollmachten verfügte. Trotz der zahlreichen Probleme, die ich im Kopf hin und her wälzte, gab ich mich geistreich und charmant, was mir in aller Regel auch nicht besonders schwer fällt.
Als die letzten Becher auf das gegenseitige Wohl getrunken, die Gäste mit Geschenken und guten Wünschen versehen in ihre Sänften verfrachtet und auf den Heimweg geschickt worden waren, setzte Julia ihre Vernehmung umgehend fort; zum Glück hatte mein vorbildliches Betragen sie ein wenig besänftigt.
»Also gut«, sagte sie, als wir es uns in einem der zahlreichen imposanten impluvia gemütlich gemacht hatten. »Was hast du bei deinem Gespräch mit ihr in Erfahrung gebracht?«
»Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt etwas in Erfahrung gebracht habe«, erwiderte ich, »aber sie hat mir eine Menge zu denken gegeben.« Ich erzählte ihr die Geschichte, die Jocasta mir aufgetischt hatte, und während sie zuhörte, wurde ihr Gesichtsausdruck zusehends skeptischer. »Was hältst du davon?«, fragte ich abschließend.
»Das macht alles keinen Sinn«, stellte sie nach kurzem Zögern fest. »Diese Männer haben alle viel zu verlieren. Warum sollten sie sich an so einer hirnverbrannten Verschwörung gegen Rom beteiligen?«
»Zu dem gleichen Schluss bin ich auch gekommen«, teilte ich ihr mit. »Die Griechen sind zwar in politischer Hinsicht bekanntermaßen Trottel, aber selbst Griechen können nicht ernsthaft glauben, dass ein paar ehemalige Kolonien dauerhaft ihre Unabhängigkeit von Rom zurückgewinnen können oder dass dies überhaupt erstrebenswert ist. Was also steckt wirklich hinter der ganzen Sache?«
»Ich habe nicht den leisesten Schimmer«, erwiderte sie, »aber ich stelle mit Erleichterung fest, dass du dir von der schamlosen Kleidung dieser Frau und ihren üppigen Kurven nicht vollkommen den Kopf hast verdrehen lassen. Ich musste ja schon oft genug erleben, dass Derartiges dazu angetan ist, dir den Verstand zu rauben.«
»Das will ich gar nicht abstreiten«, entgegnete ich. »Aber inzwischen ist aus mir ein ernsthafter Mann geworden.
Immerhin bin ich ein römischer Praetor, und in diesem Amt erliegt man nicht der Versuchung einer leicht bekleideten Frau.«
»Dass ich nicht lache!«, prustete sie los. »Wenn das stimmen würde, wärst du der einzige römische Magistrat unserer Generation, der so beschaffen ist.« Sie rückte näher an mich heran und schlang ihren Arm um meine Taille. »Und wenn du dich auf einmal so würdevoll gebärdest, warum treibst du dich dann herum und verhörst
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