Mord am Vesuv
eine Schauspielbühne gehört hätten, und waren in miserabler körperlicher Verfassung. Ihr Anführer war ein junger Bengel aus gutem Hause, der sich unter Hinweis auf diese angeblich so wichtige Bürgerpflicht vor dem Dienst in der Legion gedrückt hatte.
Vor dem Anwesen stieg ich von meinem Pferd und brüllte Befehle in die Runde. »Dein Haufen«, rief ich dem Anführer der städtischen Wachen zu, »sichert sämtliche Zugänge! Sorg dafür, dass niemand das Anwesen betritt oder verlässt!« Sie salutierten und beeilten sich, meinem Befehl Folge zu leisten. Damit war ich sie wenigstens los. Ich war sicher, dass sie sowieso nichts zu Wege bringen würden.
Ich ließ meinen Blick über das weitläufige Gelände schweifen. Normalerweise hing über Anlagen, in denen mit Sklaven gehandelt wurde, ein übler Gestank, doch hier roch es einwandfrei. Offenbar war dieses Lager gut geführt. »Schaff mir den Verwalter herbei!«, wandte ich mich an Marcus. »Eigentlich sollte er längst hier sein, um uns zu empfangen. Wenn er geflohen ist, lasse ich ihn verfolgen und hinrichten.«
»Da kommt er«, sagte Hermes und deutete mit einem Kopfnicken zu dem vergitterten Tor. Ein Mann mit blassem, besorgtem Gesicht eilte vom Haupthaus herbei. Er hatte ein dickes Schlüsselbund in der Hand und wurde von zwei Wächtern begleitet, die dicke Ledergurte trugen und mit Peitschen und bronzebesetzten Schlagknüppeln bewaffnet waren. Diesmal also keine Numider, sie sahen eher aus, als stammten sie aus Sizilien.
Mit zitternden, schwitzenden Händen öffnete der Verwalter das Tor. Die Wächter schoben es auf und ließen uns passieren.
»Warum hast du uns solange warten lassen?«, stellte ich den Verwalter zur Rede.
»Ich bitte um Entschuldigung, Praetor«, entgegnete er. »Wir haben das gesamte Personal und die zum Verkauf bestimmten Sklaven überprüft, um sicher zu gehen, dass niemand verschwunden ist. Der Mann, den du geschickt hast, hat das so angeordnet.«
»Stimmt«, bestätigte Hermes. »Und? Waren alle da?«
»Ja«, erwiderte er. »Alle außer dem jungen Herrn und seinen numidi-schen Leibwächtern. Wir haben sie nicht gesehen, seitdem … seitdem er verhaftet wurde.«
»Und was ist mit der Herrin des Hauses?«, wollte ich wissen.
»Die zweite Ehefrau des Herrn hält sich seit ein paar Tagen mit ihren Sklavinnen im Stadthaus auf, verehrter Praetor.«
»Und wer bist du eigentlich?«
»Oh, verzeih mir, Praetor. Ich bin Archias, Gaetos Verwalter.
Ich bin sicher, dass du meine Verzweiflung verstehen wirst. Erst wird der junge Herr unter Mordverdacht festgenommen, und jetzt ist der Herr selber …«
»Ich denke, es ist an der Zeit, dass ich mir den Verstorbenen einmal ansehe«, erklärte ich. »Aber du bleibst bei uns. Wenn ich die Leiche untersucht habe, will ich über das Anwesen geführt werden.«
»Selbstverständlich, Praetor«, entgegnete er beflissen. »Bitte komm mit mir, ich bringe dich zu ihm.«
Wir folgten ihm zum Haupthaus. Wenn man von dem Treiben ringsum absah, sah es genauso aus wie jedes vornehme Landhaus in dieser Gegend. In der Ferne hörte ich einen griechischen Ausbilder in der Palaestra Kommandos brüllen.
Hin und wieder übertönte eine knallende Peitsche das beständige Gemurmel der etlichen hundert Bewohner des Anwesens.
»Wann hast du ihn gefunden?«, fragte ich, als wir das Haus betraten. Das Atrium war geräumig, und dankenswerterweise hatte Gaeto auf dieüblichen aufdringlichen Porträtbüsten verzichtet, mit denen Emporkömmlinge normalerweise die Ahnenreihen nachzuäffen versuchten, die die Angehörigen der Nobilität so gerne zur Schau stellten. Das impluvium war geschmackvoll dekoriert; auch hier hatte Gaeto auf jeden übertriebenen Protz verzichtet.
»Ich muss gestehen, Praetor«, erwiderte er, »dass ich ihn erst gefunden habe, als dein Gesandter heute morgen kam und um eine Audienz gebeten hat.«
»Er wollte ihn zu mir zitieren«, korrigierte ich ihn. »Wenn jemand Audienzen gewährt, dann Könige, aber bestimmt keine Sklavenhändler.«
»Selbstverständlich, Herr«, entgegnete er eingeschüchtert. Ich packte ihn bewusst hart an, denn verunsicherte Leute verlieren in der Regel ihre intuitive Vorsicht und kommen eher mit der Wahrheit heraus. »Auf jeden Fall war er sonst um diese Zeit längst aufgestanden«, fuhr er fort, »und auf mein Klopfen hat er nicht reagiert. Er war in diesem Zimmer.«
Er hatte vor einer Tür angehalten, die vom impluvium abging, dort also, wo sich in römischen
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