Mord am Vesuv
geschlagen wird, oder auch bestimmten Asiaten, vermag sie einen mitreißenden Rhythmus zu erzeugen.
Die übrigen Sklaven ergingen sich in theatralischem Wehklagen, wobei sich vor allem die Griechen unter ihnen hervortaten. Rituelle Trauerbekundungen beruhen auf einer althergebrachten Überlieferung, und so jammerten sie aus vollem Herzen, obwohl sie von Gaetos Tod eigentlich nicht übermäßig berührt sein konnten.
Einige der Sklavenfrauen, möglicherweise ehemalige Konkubinen Gae-tos, zogen sich nackt aus, beschmierten sich mit Asche und schlugen sich gegenseitig mit dünnen Rutenbündeln blutig. Jocasta, die griechischer Abstammung war, ging nicht ganz so weit. Sie öffnete ihr Haar und ließ es sich über die Schultern fallen, zerriss ihr Gewand über den Brüsten und zog, nun von den Hüften aufwärts entblößt, einen symbolischen Aschestreifen über ihren Augenbrauen.
Gelon trug in seiner Muttersprache eine Art Gebet oder Bestattungsrede vor, so genau wusste ich das nicht, da ich nichts verstand. Es war ein schauriger, in hoher Stimme vorgetragener Singsang voller gutturaler und vokaler Schnalzer, bei dem jeder Satz oder Vers in der darüber liegenden Tonlage zu enden schien. Als er fertig war, nahm er eine Fackel und zündete den Scheiterhaufen an. Während die Flammen sich allmählich hochfraßen, umritten die numidischen Leibwächter das Feuer in einem endlosen Kreis, wobei sie wilde Schreie ausstießen und ihre Speere gegen ihre ledernen Schilde schlugen.
Alles in allem war es eine eindrucksvolle Zeremonie. Das Einzige was fehlte, waren Vertreter und Trauergäste aus der Stadt und der näheren Umgebung; die örtliche Bevölkerung glänzte durch totale Abwesenheit. Wie viel Ehrerbietung auch immer man dem lebenden Gaeto entgegengebracht hatte, dem toten versagte man sie vollständig. Irgendetwas stimmte da nicht, aber ich hatte keinen Schimmer, was.
Als das Feuer heruntergebrannt war, durchharkten die Leichenbestatter die Asche, sammelten die verkohlten Knochen ein und wickelten sie in weiße Leinentücher. Dieses Bündel legten sie in eine kunstvoll verzierte Urne und beträufelten es mit einer duftenden Mischung aus Myrrhe und Parfüm. Dann verschlossen sie die Urne und versiegelten sie mit Pech. Wie man mir erklärte, würde die Urne mit einem Schiff nach Numidien gebracht und dort im Familiengrab beigesetzt werden.
Als die Leichenbestatter ihre Arbeit beendet hatten, wurde im Hof der Villa zu einem großen Bestattungsbankett gebeten. In numidischer Tradition hockten die Anwesenden in einem großen Kreis auf ausgelegten Kissen. In der Mitte stand die Urne mit den sterblichen Überresten Gaetos; eine interessante Abwandlung der römischen Sitte, nach der der Speiseraum oft mit einem Skelett oder Schädel dekoriert ist, um die Tafelnden daran zu erinnern, dass das Leben vergänglich ist und das Grab nie weit weg, auf dass man das Essen, den Wein und die angenehme Begleitung genieße, solange man noch die Möglichkeit dazu hat.
»Was wirst du nun tun?«, wandte ich mich an Gelon.
»Du meinst, wenn ich nicht für schuldig befunden und hingerichtet werde?«, fragte er zurück.
»Genau«, erwiderte ich. »Mal angenommen, du wirst freigesprochen -willst du dann das Geschäft deines Vaters weiterführen?« Ich nahm mir ein gebratenes Fasanenbein. Die normalerweise bei numidischen Häuptlingsbestattungen üblichen Gerichte - ein ganzes, über dem Feuer gegartes Kamel, Elefantenfüße, gebackener Strauß und so weiter - waren nicht aufzutreiben gewesen, doch ich war mit den aufgetragener Speisen voll und ganz zufrieden.
»Ich glaube nicht«, sagte Gelon. »Ich bin kein guter Händler.
Wenn ich freigesprochen werde, werde ich alles verkaufen und nach Numidien zurückgehen.« Jocasta kommentierte seine Worte mit einer angewiderten Grimasse, weshalb ich mich fragte, ob sie auch ein Bestandteil seines Erbes war. Wenn ja, konnte ich mir nur zu gut vorstellen, dass die Aussicht, das hochzivilisierte Baiae zu verlassen und ins barbarische Nu-midien umzusiedeln, sie nicht gerade erfreute.
»Und was willst du dort tun?«, fragte ich weiter.
»Mich wieder dem traditionellen Geschäft meiner Familie widmen.«
»Und das wäre?«
»Überfälle anführen.«
»Ach so. Ein wirklich ehrenwerter Beruf.« Das war er wirklich, zumindest bei den Numidern und den von Homer beschriebenen Achäern.
»Und? Hast du den Mörder meines Ehemanns gefunden?«, fragte Joca-sta, abrupt das Thema wechselnd. Sie hatte inzwischen
Weitere Kostenlose Bücher