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Mord am Vesuv

Mord am Vesuv

Titel: Mord am Vesuv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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in seiner Bestattungsrede beschrieben wird?«, entgegnete ich.
    »Natürlich nicht. Aber sie hat doch ein ziemlich zurückgezogenes Leben im Tempel geführt. Wir haben mit ihr und ihrem Vater nie viel zu tun gehabt und sie eigentlich nur bei öffentlichen Banketten und ähnlichen Anlässen gesehen.
    Schließlich gehören sie zur örtlichen Aristokratie, oder bilden sich jedenfalls ein, dass sie dazugehören. Hoch geborene Herrschaften, die sich mit Leuten wie uns nicht abgeben.« Sie lachte erneut schrill auf. »Aber wenn so das Leben von Aristokraten aussieht, kann man mir damit getrost gestohlen bleiben!«
    »Da kann ich dir nur beipflichten, obwohl ich ja in gewisser Weise selber zur Aristokratie gehöre. In Rom tun wir zwar gerne so, als bewunderten wir das schlichte ländliche Leben, doch in Wahrheit will natürlich jeder, der es sich leisten kann, am liebsten so leben wie Lucullus.«
    »Da bist du ja auf bestem Wege«, stellte sie fest. »Die Villa des alten Hortalus gilt schließlich als die prachtvollste in ganz Italia.«
    »Ach, wenn du doch Recht hättest! Aber er hat sie mir nur leihweise überlassen. In Kürze muss ich weiterziehen nach Bruttium, und du weißt ja selber, wie jämmerlich es dort zugeht.
    Wie in Rom vor zweihundert Jahren! Aber das Schlimmste ist, dass ich nur von Bruttiern umgeben sein werde.«
    »Die Gegend ist ziemlich zurückgeblieben«, stimmte sie mir zu. »Aber dann solltest du doch eigentlich dankbar sein für diese Morde. Sie bieten einen erstklassigen Vorwand, deinen Aufenthalt hier ein wenig zu verlängern.« Sie lugte unter ihren langen Wimpern hervor und lächelte verschmitzt.
    »Beim Jupiter, da hast du Recht! Dann muss ich mich wohl selber auf die Liste der Verdächtigen setzen.«
    »Ich würde jedenfalls ohne weiteres einen Mord begehen, um in Baiae bleiben zu können und nicht nach Bruttium zu müssen«, verkündete sie und wurde erneut von einem Lachanfall geschüttelt. Offenbar hatte sie dem Wein schon kräftig zugesprochen, bevor sie an unseren Tisch gekommen war.
    »Trotzdem frage ich mich«, fuhr ich fort, »warum Gaeto auch von so vielen Männern so zuvorkommend behandelt wurde. Sie werden ja wohl nicht aus dem gleichen Grund auf ihn geflogen sein wie die Frauen, oder jedenfalls nur verschwindend wenige.«
    »Mehr als du glaubst«, erwiderte sie. »Tatsache ist, dass fast alle wichtigen Männer Baiaes Geschäfte mit Gaeto gemacht haben. Sehr umfangreiche, bedeutende Geschäfte. Einige unserer angesehensten, angeblich so makellosen Bürger sind in ausgesprochen schmutzige Geschäfte verwickelt.«
    »Was für Geschäfte?«, hakte ich nach.

    Sie beugte sich, auf ihre Ellbogen gestützt, zu mir vor, als wollte sie mir etwas Intimes sagen. »Es geht immer nur um Geld, Senator. Darum, Geld einzusetzen, um noch mehr Geld zu scheffeln. So funktioniert das Geschäft. Ihr römischen Aristokraten tut so, als ob Grundbesitz und Kriegsbeute die einzigen ehrenwerten Quellen für Wohlstand und Reichtum wären. Die Geschäftsleute hier ziehen den Handel mit Luxusartikeln vor. Aber sie wissen genau wie du, dass die größte Quelle allen Reichtums auf der Ausbeutung menschlichen Fleisches beruht. Und dass die einzig wahre Macht in der absoluten Herrschaft über andere Menschen besteht.« Der Zynismus in ihren Augen war beunruhigend.
    »Komm auf den Punkt!«, drängte ich sie, ihres neunmalklugen Vertrages allmählich überdrüssig.
    »Weißt du, warum alle den Sklavenhändlern mit so viel Verachtung begegnen? Weil sie uns daran erinnern, dass wir im Grunde selber nicht besser sind als sie. Was wäre unser römisches Imperium ohne Sklaven?«
    »Wir hätten kein Imperium«, erwiderte ich. »Wir hätten nicht mal eine Zivilisation.«
    »Genau. Sie bauen unsere Nahrungsmittel an, bereiten uns das Essen zu, servieren es und reinigen hinterher das Geschirr. Sie bauen unsere Häuser und verwöhnen uns in den Bädern. Sie befriedigen unsere fleischlichen Gelüste, und wenn wir sie leid sind, verkaufen wir sie. Sie riskieren in Wagenrennen ihr Leben und bringen sich gegenseitig in der Arena um -und das alles bloß zu unserem Vergnügen. Sie unterrichten unsere Kinder und pflegen uns, wenn wir krank sind.«
    »Stimmt«, pflichtete ich ihr bei. »Ein anständiges Leben ohne Sklaven kann man sich in der Tat nicht vorstellen.«
    Sie lehnte sich zurück und grinste mich anzüglich an. »Wir vertilgen sie förmlich mit Haut und Haar, Senator, geradeso als wären wir Kannibalen und würden sie

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