Mord am Vesuv
verspeisen. Wir ködern sie mit dem Versprechen, sie irgendwann freizulassen, damit sie stillhalten und uns ergeben dienen, doch wenn eine gerechte Behandlung und die Aussicht auf Freiheit nicht ausreichen, haben wir immer die Peitsche und das gefürchtete Kreuz in der Hinterhand.«
»Das ist nun mal der Preis, wenn man einen Krieg verliert oder sich die falschen Eltern ausgesucht hat«, entgegnete ich.
»Und so ist es, seitdem Deukalion die von Zeus gesandte Sintflut überlebt hat. Worauf willst du hinaus?«
»Ich will sagen, dass wir alle wissen, wie schlecht wir unsere Sklaven behandeln und uns im Grunde dafür schämen. Um es uns leichter zu machen, haben wir den Sklavenhändler zum Sündenbock erkoren und strafen ihn mit sozialer Verachtung, während wir gleichzeitig fröhlich von seinem Geschäft profitieren. Wenn herauskäme, dass einige der angesehensten Männer des öffentlichen Lebens stille Partner unseres reichsten, aber am meisten verachteten Mitbürgers gewesen sind, wäre der Ruf dieser Leute ruiniert.«
Was sie da sagte, stieß in meinem Gedächtnis etwas an und brachte mich auf eine Frage, die ich bisher vergessen hatte zu stellen. Doch sie redete unaufhörlich weiter, sodass ich sie auch jetzt nicht anbringen konnte.
»Es gibt ein noch schlimmeres Schicksal als das eines Sklaven, Senator, und ich selber habe es eine Zeit lang geteilt.
Zum Glück war es nur vorübergehend, und jetzt bin ich wieder eine angesehene Dame. Einige Dinge kann man vertuschen oder vergessen, andere nicht. Das solltest du dir vor Augen halten, wenn du diese Morde aufklären willst.«
»Das werde ich tun«, versicherte ich ihr.
An dieser Stelle beendete sie abrupt ihre ernsthaften Ausführungen und kehrte zu ihrem Getratsche zurück, das der Situation auch etwas angemessener erschien. Kurz darauf wurde ihre Sänfte gebracht, und sie verabschiedete sich.
»Also?«, wandte ich mich an Hermes, während wir uns wieder unserem unterbrochenen Mittagessen widmeten, »was hältst du von der Sache?«
»Ein weiteres Ablenkungsmanöver«, erwiderte er, »und wieder von einer Frau. Wahrscheinlich will sie dich von ihrem Ehemann weg- und auf eine andere Fährte locken.«
»Und ihre Ausführungen über die Sklaven? Was meinst du?«
Er zuckte mit den Schultern. »Das meiste von dem, was sie gesagt hat, könnte ich unterschreiben. Aber was soll's? Das ist der Lauf der Dinge. Solange die Götter nicht vom Olymp herabsteigen und diesem Lauf eine andere Richtung geben - wie soll man etwas daran ändern?«
»Ja, wie nur?«
IX
»Warum muss immer alles so kompliziert sein?«, jammerte ich.
»Weil wir es mit Menschen zu tun haben«, klärte Julia mich auf. »Natürliche Phänomene sind meistens recht einfach zu verstehen und mehr oder weniger vorhersehbar, doch sobald Menschen mit ihren Leidenschaften, ihrem Hass und ihren Ambitionen in etwas verwickelt sind, werden die Dinge kompliziert.«
Wir saßen in einem der herrlichen Gärten, die Hortalus hatte anlegen lassen. Die Bienen umsummten friedlich die Blüten, die Fische in den Teichen zogen energisch ihre Bahnen, die Vögel zwitscherten vergnügt in den Bäumen, und in der Ferne rauchte bedrohlich der Vulkan.
»Ich wünschte, seine Launen wären vorhersehbar«, sagte ich und zeigte auf den Vesuv.
»Soweit ich weiß, ist das Verhalten von Vulkanen so wenig vorhersehbar wie die Launen der Götter«, entgegnete Julia.
»Glaubst du eigentlich, dass fast alle prominenten Männer Baiaes mit Gaeto gemeinsame Sache gemacht und mit dem Sklavenhandel Geld verdient haben?«
»An dem Tag, an dem ich solchen Frauen auch nur ein einziges Wort glaube, darfst du mich lebendig einmauern wie; eine Vestalin, die gegen ihr Keuschheitsgelübde verstoßen hat.«
»Habe ich mir schon gedacht, dass du das so siehst.
Wenigstens wissen wir jetzt, dass Gorgo die Halskette von Gaeto hatte.«
»Wir wissen, dass Gaeto die Kette gekauft hat«, korrigierte sie mich. »Bevor sie als Geschenk bei Gorgo gelandet ist, kann sie auch noch durch andere Hände gegangen sein.«
»Wie immer ist deine Logik besser als meine.«
»Was wollen wir denn jetzt mit Gelon unternehmen?«, fragte sie.
»Ich muss ihm erlauben, an der Bestattung seines Vaters teilzunehmen«, erwiderte ich. »Alles andere wäre unmenschlich.«
»Das sehe ich genauso. Aber er muss strengstens bewacht werden.«
»Hermes, Marcus und noch ein paar Männer können ihn auf Pferden eskortieren, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er versucht
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