Mord am Vesuv
alte Knacker einen Mann wie Gaeto ermorden? Niemals! Nur ein kräftiger Mann mit einer sicheren Hand und guten Augen konnte ihm diesen Todesstoß verpassen.« Sie setzte ihr süßestes Lächeln auf und fuhr fort. »Wenigstens weißt du, dass es Gelon nicht gewesen sein kann. Schließlich befand er sich in deinem Gewahrsam, als mein Mann umgebracht wurde.«
»Da hast du Recht. Wie war eigentlich das Verhältnis zwischen Vater und Sohn?«
»Wahrscheinlich besser als zwischen einem römischen Vater und seinem Sohn. Ihr Römer seid ja für eure tyrannische Haltung gegenüber euren Kindern bekannt. Natürlich hat Gelon ein bisschen unter der väterlichen Autorität gelitten, aber welcher übermütige junge Mann täte das nicht? Nein, Gaeto hat ihn angebetet und hemmungslos verwöhnt. Du hast seine Pferde und seinen Pferdeschmuck ja mit eigenen Augen gesehen. Und dann seine persönliche Eskorte - wie ein junger Prinz. Gelon hatte bestimmt keinen Grund zur Klage.«
»Hat Gaeto ihm verboten, sich weiter mit der Priestertochter zu treffen? Ich habe ihn selber darauf angesprochen, weil ich Ärger vorausgesehen habe.«
»Soweit ich weiß, hat es zwischen den beiden in dieser Angelegenheit den einen oder anderen scharfen Wortwechsel gegeben, aber Genaues habe ich nicht gehört. Wenn du Ärger voraussehen kannst, verfügst du offenbar über die gleiche Begabung wie die Sibylle von Cumae.«
»Allerdings hat die Begabung nicht gereicht, mir auch nur die leiseste Vorstellung davon zu geben, wie gewaltig der Ärger in dieser Gegend sein würde. Aber ich lerne dazu.«
»Weißt du«, sagte sie und brachte ihren wohlgeformten Körper durch eine berechnete Verlagerung noch ein bisschen mehr zur Geltung, »du bist wirklich ein interessanter Mann. Ich habe gehört, dass du eigenhändig mit den Banditen kurzen Prozess gemacht hast.«
»Eine maßlose Übertreibung«, versicherte ich ihr. »Ich habe lediglich zwei von ihnen erledigt, den Rest haben meine Männer und Gelons Numi-der niedergemacht.«
»Aber Rutilia hat mir erzählt, wie du, in jeder Hand ein Schwert und von Kopf bis Fuß mit Blut besudelt, die mächtigen Männer Baiaes in die Schranken gewiesen hast. Sie sagt, es war ein erregender Anblick. So wie sie davon geschwärmt hat, hättest du sie da auf der Straße vor aller Augen nehmen können, und sie hätte es großartig gefunden.«
»Das ganze Leben ist eine Aneinanderreihung verpasster Gelegenheiten«, seufzte ich.
Sie lachte unbekümmert und aus vollem Herzen. Offenbar hatte sie sich von dem schmerzlichen Verlust ihres Mannes schon wieder ganz gut erholt. »Du bist gar nicht so, wie man sich einen römischen Magistrat vorstellt. Die meisten sind doch absolute Dummköpfe.«
»Ich versuche, niemanden zu langweilen. Du verkehrst also mit Rutilia. Ich dachte, Baiaes Damen der gehobenen Gesellschaft schneiden dich und strafen dich mit Verachtung.«
»Oh, vor den Augen der Öffentlichkeit geben sie vor, mich zu verachten, doch in Wahrheit sind sie von mir fasziniert. Gestern Abend, zum Beispiel, hat Rutilia mich besucht, angeblich um mich über meinen Verlust hinwegzutrösten. Natürlich hat sie mir erzählt, dass sie gerne an der Bestattung teilgenommen hätte, aber dass Norbanus sie nicht gelassen hat. In Wahrheit wollte sie vor allem über den Mord reden und wissen, was aus Gelon wird. Quadrilla war sogar schon vor ihr bei mir, mit dem gleichen Anliegen, versteht sich. Wie du siehst, verkehre ich sehr wohl mit diesen Frauen. Mit ihnen und all den anderen Damen der gehobenen Gesellschaft Baiaes. Sie kommen, um von mir zu lernen.«
»Und was bringst du ihnen bei?«
»Kannst du dir das nicht denken? Sie wollen von mir lernen, wie sie am besten ihre Liebhaber befriedigen. Niemand kennt sich auf diesem Gebiet besser aus als eine griechische hetaira.
Wir sind dafür berühmt.«
»Ihre Liebhaber?«, hakte ich nach. »Nicht ihre Ehemänner?«
»Warum sollte man diese ausgefallenen Techniken an einen Ehemann vergeuden? Als Erstes würde er sich misstrauisch fragen, von wem seine Frau derartige Praktiken gelernt hat, und als Nächstes würde er genau diese Praktiken seinen Geliebten beibringen, damit sie ihn genauso verwöhnen.«
»Und ich dachte immer, wir in Rom wären Zyniker. Dabei lasst ihr uns aussehen wie kleine Kinder.«
»Ihr Römer wetteifert miteinander darum, die Welt zu beherrschen, das bedeutet, ihr kämpft um politische und militärische Macht. Bei uns ringen die Männer um die lokale Macht, das heißt, sie
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