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Mord am Vesuv

Mord am Vesuv

Titel: Mord am Vesuv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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kämpfen um politischen und wirtschaftlichen Einfluss. Dazu ist ihnen jedes Mittel recht. Sie spionieren sich gegenseitig aus, erpressen, bestechen und verleumden einander, bringen ihre Gegner durch skandalöse Klatschgeschichten in Verruf … die Liste könnte unendlich fortgesetzt werden. Ihre Frauen machen derweil, was sie wollen, und kochen ihr eigenes Süppchen, immer darauf bedacht, ihre Position in der Gesellschaft nach Möglichkeit zu verbessern.
    Rom oder Baiae - es ist überall das gleiche Spiel, nur der Maßstab ist ein anderer.«
    »Wobei ihr das Ganze hier mit einer gewissen Kultiviertheit würzt, an der es uns in Rom leider mangelt«, stellte ich fest.
    »Ist das wirklich so?«, entgegnete sie. »Oder dient eure berühmte römische Zurückhaltung, Gelassenheit und gravitas nur zur Kaschierung der Wahrheit, dass ihr genau die gleichen degenerierten Lüstlinge seid wie die Sybariten?«
    Irgendwie wichen die Unterhaltungen mit dieser Frau immer von meinem geplanten Thema ab. Ich war gekommen, um herauszufinden, wie und von wem Gorgo und Gaeto ermordet worden waren, was im Hause des Numiders vorgefallen und wer in seine Geschäfte verwickelt war, aber Jocasta lenkte das Gespräch immer wieder auf völlig irrelevante und nicht selten anzügliche Themen. Leider muss ich gestehen, dass ich gegen ihre Abschweifungen durchaus nichts einzuwenden hatte. Also ließ ich sie einfach weiterreden. Oft sind mir gerade in belanglos erscheinenden und auf Ablenkung und Vertuschung angelegten Unterhaltungen unbeabsichtigt erstaunliche Details offenbart worden. Und wenn das Ganze mich auch noch glänzend unterhielt, umso besser. Welcher Römer hätte je auf eine amüsante Unterhaltung verzichtet!
    »Im Grunde sind wir nur eine Gemeinschaft italischer Bauern«, erklärte ich ihr, »die ganz gut kämpfen können. Uns treibt vor allem die Sorge um, dass wir über all dem Luxus unsere militärische Stärke verlieren könnten. Als wir vor über zweihundert Jahren Sizilien erobert haben, brachten wir auch bequeme Couchen und Kopfkissen als Kriegsbeute nach Rom.
    Die Censoren waren damals überzeugt, dass derartige Luxusgegenstände uns in eine Horde träger, dekadenter, degenerierter Schwächlinge verwandeln würden. Und da die Beute auch aus Statuen und Gemälden bestand, wurde zudem befürchtet, dass wir Gefahr liefen, als verweichlichte Kunstkritiker zu enden.«
    »Couchen«, murmelte sie, »und Kopfkissen. Diese so genannten Bedrohungen eurer Härte haben euch jedenfalls nicht davon abgehalten, weiterhin Kriege zu führen und euch zu gebärden wie betrunkene Mazedonier, die ihrem goldbehaarten Jungen folgen.«
    »Ich persönlich glaube, dass die Furcht vor den Folgen des dekadenten Lebens übertrieben ist. Ich genieße den Luxus jedenfalls, und den meisten Römern geht es nicht anders. Wenn das dekadente Leben wirklich schaden würde, wären Caesars Legionen wohl kaum die gefürchtetsten, die wir je ins Feld geschickt haben. Aber ich glaube, wir haben, wie soll ich sagen … wir haben dieses leichte, angenehme Leben nie wirklich genossen. Wir spüren sozusagen, dass wir eigentlich dazu bestimmt sind, auf dem Boden zu schlafen, uns mit einem dünnen Umhang zu kleiden, grobkörniges Gerstenbrot mit Ziegenkäse zu essen und diesen sauren, nach Essig schmeckenden Wein zu trinken.«
    »Vielleicht seid ihr so kriegslüstern, damit niemand eine falsche Vorstellung von euch bekommt«, sagte sie.
    »Durchaus möglich«, stimmte ich zu. »Das öffentliche Bild, das wir abgeben, spielt bei uns eine große Rolle.«
    »Und wie eng stehen das öffentliche Bild und die private Wirklichkeit miteinander im Einklang?«, fragte sie. »Ihr Römer haltet Rücksichtslosigkeit für eine Tugend und weibliche Freizügigkeit für ein großes Übel, aber was von beidem verursacht mehr Elend?«
    »Ich würde nicht sagen, dass unsere Denkweise besonders logisch ist. Mit Logik kennen sich die Griechen besser aus. Wir schätzen und verehren vor allem zwei Dinge: unsere militärische Stärke und unsere Traditionen. Auch wenn Letztere vielleicht ein wenig überholt scheinen, halten wir sie dennoch hoch. Und was die weibliche Keuschheit angeht, so ist das vor allem eine Eigenschaft, die man unseren bäuerlichen Vorfahrinnen zuschreibt. Heutzutage sind in dieser Hinsicht allenfalls die Vestalinnen und Caesars Frau über jeden Verdacht erhaben. Die großen Damen der Gesellschaft sind Frauen wie Ciodia, Fulvia, Sempronia und noch ein paar andere von dieser Sorte,

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