Mord am Vesuv
das war etliche Jahre vor unserer Heirat. Ich habe diesen Mann nie persönlich getroffen, auch wenn ich ihm im vergangenen Jahr seinen Anteil am Gewinn zugesandt habe.«
Hier kam ich in dieser Angelegenheit also auch nicht weiter.
Verona war so weit von Baiae entfernt, dass man kaum weiter reisen konnte, ohne die italische Halbinsel zu verlassen. Bevor ich vor Ort herausgefunden hätte, ob dieser Gratius Glabrio wirklich existierte, hätte ich diesen Fall hoffentlich längst gelöst.
Und bis dahin konnte Gelon längst vor Gericht gestellt und verurteilt und hingerichtet worden sein für einen Mord, von dem ich überzeugt war, dass er ihn nicht begangen hatte.
»Obwohl du so eine gebildete und kultivierte Frau bist«, fuhr ich nach einer kurzen Denkpause fort, »hast du dich mit Gaetos Außenseiterstatus abgefunden. Darf ich mir die persönliche Frage erlauben, wie eine Frau von deiner Herkunft dazu kommt, ausgerechnet einen numidischen Sklavenhändler zu heiraten?«
»Kannst du dir das denn nicht denken?«, entgegnete sie und neigte den Kopf anmutig zur Seite. »Gaeto hat mich gekauft.«
»Du warst eine Sklavin?«
»Ganz so schlimm war es nicht. Ich komme aus Athen und wurde wie meine Mutter und meine Großmutter zu einer hetaira erzogen.«
Das erklärte eine Menge. Die meisten Römer denken, dass eine hetaira im Grunde nichts anderes ist als eine Hure mit Niveau, doch die Wahrheit sieht ein bisschen anders aus. Das Wort hetaira bedeutet so viel wie »Gefährtin«, und genau das sind sie: Frauen, die von Kindheit an dazu erzogen werden, hochgeborenen Männern eine angenehme Gefährtin zu sein.
Deswegen sind sie viel besser ausgebildet als die meisten Frauen. Schließlich müssen sie auf so unterschiedlichen Gebieten wie Politik, Geschichte und Kunst bewandert sein, um kenntnisreich und unterhaltsam über diese Dinge reden zu können. Außerdem erhalten sie eine musikalische Ausbildung, werden in die Kunst der Poesie eingeführt und nicht zuletzt natürlich auch in die Geheimnisse der ausgefallensten und raffiniertesten sexuellen Praktiken.
Das zeigt, dass eben doch nicht alle griechischen Männer Päderasten sind, die sich nur mit kleinen Jungen abgeben. Einige von ihnen ziehen tatsächlich die Gesellschaft einer intelligenten, gebildeten Frau vor und sind sogar bereit, für dieses Privileg einen hohen Preis zu zahlen.
»Gaeto war ein reicher Händler, der für seinen Wohnsitz in Italia die passende, kultivierte Frau brauchte«, fuhr Jocasta fort.
»Meine Mutter hat einen Preis genannt, und er hat ihr gezahlt.
Einer Frau von meiner Herkunft kann Schlimmeres passieren, als die Ehefrau eines wohlhabenden Mannes zu werden.
Natürlich wusste ich damals weder, womit er sein Geld verdiente, noch dass er in Numidien bereits eine andere Frau hatte, aber unterm Strich habe ich es nicht schlecht getroffen.
Meine Aufgabe bestand darin, meinem neuen Ehemann kultivierte Umgangsformen beizubringen, und, wie du mir sicher zustimmen wirst, durchaus mit Erfolg.«
»Ohne Zweifel«, bestätigte ich. »Er war ein charmanter und imponierender Mann.«
»Ja, und wir haben eine durchaus glückliche Beziehung gehabt. Ich kann dir versichern, dass in Baiae nur wenige Ehefrauen mit ihren Männern so zufrieden sind, wie ich es war.«
Und einige von ihnen waren mit deinem Mann genauso zufrieden wie du, dachte ich. »Hatte Gaeto mit irgendeinem von den bedeutenden Männern Baiaes Streit?«
»Wenn du die reichen Männer meinst, nein.«
»Und was ist mit den weniger wohlhabenden?«
»Na ja, mit dem Priester, Diocles …«
»Von dem du mir bei unserem letzten Gespräch erzählt hast, dass er in einem Netz von Verschwörern als Mittelsmann fungiert.«
Sie zuckte mit den Achseln. »Es ist nur ein Verdacht, ein Gerücht, das ich von den Sklaven aufgeschnappt habe. Aber wie auch immer, Gaeto hatte damit nie etwas zu tun. Nein, der Priester war einfach stinksauer auf Gaeto, er hat ihm sogar gedroht. Ich glaube, seine Wut rührte daher, dass der arme Gelon seiner Tochter den Hof gemacht hat.«
»Gedroht? Davon hast du mir bei unserem letzten Gespräch nichts erzählt.«
»Da hat mein Mann auch noch gelebt. Er hätte es bestimmt nicht gerne gesehen, wenn ich einem offiziellen Amtsträger etwas über seine persönlichen Zwistigkeiten erzählt hätte.
Numider pflegen solche Dinge unter sich zu regeln.«
»Verdächtigst du Diocles, der Mörder deines Mannes zu sein?«, fragte ich.
Sie schnaubte verächtlich. »Dieser schwächliche
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