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Mord am Vesuv

Mord am Vesuv

Titel: Mord am Vesuv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Schauspieler Episoden der heldenhaften Reisen des Odysseus nachspielten, wobei die meisten Darbietungen extrem schlüpfrig waren. Ka-lypso wurde von einem virtuosen Tänzer aus Gades dargestellt, dessen Gliedmaßen in alle Richtungen gleichzeitig zu wirbeln schienen. Außerdem erfuhren wir, dass Circe und ihre Gefährtinnen für Odysseus' Begleiter auch nach deren Verwandlung in Schweine durchaus noch Verwendung hatten.
    Nach den Darbietungen gab es ein weiteres dieser verschwenderischen öffentlichen Gelage, an die wir uns in Baiae schon fast gewöhnt hatten. Ohne die ständige Jagd nach neuen Mördern und gelegentlichen Scharmützeln mit Banditen würde ich während meines Aufenthalts in Südkam-panien ganz schön fett werden.
    Die duumviri gaben sich alle Mühe, sich von ihrer versöhnlichen Seite zu zeigen. Schließlich war es sinnlos, sich Rom zu widersetzen, wohingegen man von bereitwilliger Kooperation durchaus profitieren konnte. Der Banditenüberfall hatte sie in Verlegenheit gebracht, und meine Truppenanforderung schien sie ernüchtert zu haben. Was Gelon anging, war der Prozess für den nächsten Morgen angesetzt, und damit, so meinten sie vermutlich, wären alle Probleme in Kürze erledigt. Schließlich und endlich sollte man sich durch nichts davon abhalten lassen, ein ordentliches Fest zu feiern.
    Und so aßen und tranken wir mit großem Appetit und genossen das Fest, als ob nicht eine düstere Wolke über unseren Köpfen hinge, was allerdings durchaus der Fall war, denn die Rauchfahne über dem Vesuv war an diesem Tag größer und bedrohlicher als sonst. Zum Glück hielt der Wind den Ruß und die Asche von Baiae fern. Das meiste schien in der Bucht von Neapolis niederzugehen, nur hin und wieder trieb uns eine Brise den Geruch von heißem Eisen und verbranntem Schwefel in die Nase. Es war ein bisschen so, als sollten wir daran erinnert werden, dass der Tod immer in unserer Nähe ist und wir das Leben deshalb genießen sollen, solange es noch geht.
    Als ob die Bewohner von Baiae einer Ermunterung bedurft hätten, das Leben zu genießen! Während des Essens trugen berühmte griechische Rhapsoden die Odyssee vor; ihr attisches Griechisch war so makellos und ihre Darbietung so hingebungsvoll und einfühlsam, dass man die Ruder von Odysseus' Schiff förmlich knarren hörte. Kenner verglichen die Darbietung mit den Aufführungen der vergangenen Jahre, und natürlich gab es einige, die darauf beharrten, die Odyssee schon vollendeter gehört zu haben. Ich nicht, soviel stand fest.
    Als die öffentlichen Festlichkeiten beendet waren, wurden Julia und ich in das Haus des Schmuckhändlers Publilius eingeladen. Das Letzte, wonach es uns verlangte, waren weitere Speisen und Getränke, doch wenn man die Maßstäbe Baiaes zu Grunde legte, war diese Zusammenkunft beinahe spartanisch gehalten. Anstatt endloser Völlerei wurde uns die angenehmste Zerstreuung geboten, die es überhaupt gibt: geistreiche Gespräche. Publilius hatte die unterhaltsamsten und eloquentesten Männer und Frauen der Region eingeladen, Leute, die sich vor allem durch ihre Schlagfertigkeit auszeichneten. Es waren nur zwei Regeln zu beachten: Erstens durfte nicht über Politik geredet werden, und zweitens durfte niemand zu lange sprechen. Jeder hatte einen Korb mit kleinen süßen Kuchen bekommen, mit denen man jeden bewerfen durfte, der uns mit seiner Geschwätzigkeit langweilte.
    Offenbar konnte selbst ein Schmuckhändler Geschmack haben. Ich habe mich selten besser unterhalten und hätte, ehrlich gesagt, gar nicht geglaubt, dass man ohne die übliche Prasserei, ohne Gaukler, Akrobaten, Tänzer oder wenigstens die Vorführung eines anständigen Kampfes einen so gelungenen Abend verbringen kann. Die Themen reichten von einer Diskussion über die Natur des in der Ferne sichtbaren Vulkans über die wahre Identität Homers bis hin zu der Frage, ob Tanzen oder Reden eine größere Kunst sei. Wir amüsierten uns bis spät in die Nacht, und für ausreichende Beleuchtung sorgte eine Erfindung, die ich in Baiae erstmals sah: Kandelaber, deren Licht durch entsprechend angebrachte polierte Silberreflektoren verstärkt wurde - eine Konstruktion, die vermutlich auf Ar-chimedes zurückging und die sich die Bewohner Baiaes zu Zwecken ihres luxuriösen Lebensstils zu Eigen gemacht hatten.
    Wir waren gerade dabei, uns zu verabschieden und nach unseren Sänften zu verlangen, als Hermes auf mich zueilte. Er brachte schlechte Neuigkeiten.
    »Es ist schon wieder

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