Mord am Vesuv
passiert«, keuchte er.
»Nicht noch ein Mord!«, rief ich entsetzt. »Nein! Ich verbiete es mit der mir zur Verfügung stehenden Autorität!«
»Ich fürchte, einige Dinge entziehen sich sogar der Befehlsgewalt eines römischen Praetors«, stellte unser Gastgeber fest. »Wer ist es diesmal?«
»Quadrilla«, berichtete Hermes. »Die Frau von Silva, dem duumvir. Am besten kommst du gleich mit, Decius.«
»Wo ist es passiert?«, fragte ich. »In ihrer Villa?«
»Nein«, entgegnete Hermes. »In ihrem Stadthaus. Nur ein paar Straßen von hier.«
»Julia«, wandte ich mich an meine Frau, »geh nach Hause und sorge dafür, dass Antonia und Circe sich nicht in die Sache einmischen. Sobald ich zurück bin, werde ich dich umfassend informieren.«
Sie nickte mit aufeinander gepressten Lippen. Früher hätte sie darauf bestanden, mich zu begleiten, und auch jetzt hätte sie nichts lieber getan, doch sie war ein Opfer ihrer eigenen Ansichten über das gebührliche Verhalten der Frau eines Praetors. Sensationslust gehörte mit Sicherheit nicht zu den Eigenschaften, durch die sie meinte sich auszeichnen zu müssen.
Dank der städtischen Straßenbeleuchtung konnten wir auf Fackelträger verzichten und kamen genauso schnell zu Silva wie am Tag, ein Umstand, der in Rom völlig undenkbar war. Vor dem Haus hatte sich bereits eine ansehnliche Menschenmenge versammelt, die von ein paar städtischen Wachen im Zaum gehalten wurde. Als sie mich sahen, traten sie zur Seite und ließen mich durch. Im Atrium trafen wir auf die duumviri.
Norbanus redete beruhigend auf seinen völlig aufgelösten Amtskollegen ein. Silva war blass und aufgewühlt. Neben ihm stand sein kretischer Geschäftspartner Diogenes.
»Tja«, sagte ich, »wie es aussieht, sollten wir uns wohl allmählich daran gewöhnen. Mein Beileid, Manius Silva. Ich weiß, dass du einen schmerzlichen Verlust erlitten hast, aber bevor wir deine Frau den libitinarii überlassen können, muss ich sie erst noch untersuchen. Allmählich scheinen die Dinge hier wirklich völlig außer Kontrolle zu geraten. Doch erzähl mir zunächst, was passiert ist.«
Sie waren zu fassungslos, um Einwände zu erheben. Ein weiteres Mal stand meine Zuständigkeit auf ziemlich schwachen Beinen, aber weil ich hereingeplatzt war und das Kommando, keinen Widerspruch duldend, an mich gerissen hatte, als ob ich zum Befehlen geboren wäre, hatte ich schon so gut wie gewonnen. Diese Taktik funktioniert fast immer, und ich empfehle sie jedem Statthalter oder Magistrat, der ins Umland oder gar in entlegene Provinzen und Regionen geschickt wird.
Normalerweise folgen einem die Leute, wenn man nur unverfroren genug auftritt und mit der gebotenen Dreistigkeit auf seiner Autorität beharrt.
»Ich … ich habe sie gefunden, als ich nach Hause kam«, stammelte Silva. Entweder war er wirklich vor Kummer außer sich, oder er war ein ziemlich guter Schauspieler.
»Von wo bist du nach Hause gekommen?«, hakte ich nach.
»Wir waren …«, setzte Diogenes zu einer Antwort an, doch ich unterbrach ihn schroff.
»Ich möchte es von Manius Silva hören. Also fahr bitte fort.«
»Ich war auf dem Jahresbankett der Vereinigung der Parfümeure«, erwiderte Silva, »deren Vorsteher ich ja bin. Das Bankett findet jedes Jahr an diesem Tag statt.« Er war also von dem üppigen öffentlichen Festgelage direkt zum nächsten Bankett gegangen. Typisch Baiae. »Als ich nach Hause kam, sah alles ganz normal aus und …«
»Hat Quadrilla dich nicht begleitet?«, unterbrach ich ihn.
Bei dem Fest zu Ehren des Baios hatte ich ihn noch in Begleitung seiner Frau gesehen.
»Nein. Sie hat gesagt, dass sie sich nicht gut fühle und lieber nach Hause wolle.«
»Gut. Was war, als du zurückgekommen bist?«
»Als ich zurückkam - vor etwa einer Stunde -, schien alles zu sein wie immer. Der Janitor hat mich eingelassen, und der Vorsteher meiner Haussklaven hat mich informiert, dass alles in Ordnung sei.«
»Hast du sonst noch mit jemandem gesprochen?«
»Nein. Alle waren schon zu Bett gegangen. Ich erwarte nicht von ihnen, dass sie aufbleiben, wenn ich so spät nach Hause komme.«
Ich drehte mich zu Hermes um. »Bring den Janitor und den Vorsteher der Haussklaven in zwei verschiedene Räume. Ich will sie nachher getrennt befragen.« Er nickte und verschwand, um meiner Anweisung Folge zu leisten. »Und nun erzähl mir, Manius Silva, wie du deine Frau gefunden hast.«
»Also, vom Atrium bin ich direkt zu unseren Schlafgemächern gegangen.
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