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Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Titel: Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Glücklicherweise gab es kein einziges Kind auf dieser Reise, noch nicht mal einen kleinen Hund, weshalb Mareike nichts weiter zu tun hatte, als im Schönheitssalon auszuhelfen. Neben ihr saß Gloria, eine sehr sportliche, schlanke Journalistin mit knapp-frechem Leder-Minirock und schulterfreiem Top. Von ihr war eben der Einwand gekommen. Sie war vom STERN und sollte einen Artikel über die »MS Blaublut« schreiben. So hieß unser Fünfsterneschiff. Gloria lachte mehrmals laut, schlug dabei ihrem Nebenmann auf die Schulter und drohte lachend, die ganze »MS Blaublut« zu verreißen, wenn es ihr hier nicht gefiele. Der Kreuzfahrtdirektor grinste gequält und stieß einen Rauchschwaden aus, bevor er weiterredete: »Und dann haben wir hier unsere Anna, die macht jeden Morgen mit den Passagieren ... Pingpong. Tschi-Gong. Anna, hilf mir, wie heißt das, was du immer machst?«
    »Wing Tsun«, sagte Anna lachend. »Das ist eine asiatische Kampfkunst zur Selbstverteidigung.«
    »Das muß man hier zwischen die viele bose blickende Leute auch learnen«, murmelte mein Nachbar, der amerikanische Tenor. Er schien schon länger in Haft zu sein. Der Arme. Er wirkte frustriert.
    Weiter hinten im Dunkeln saß neben den bulgarischen Kerls von der achtköpfigen Bänd noch ein älterer Mann mit Jeanshemd und Lederweste. Ich hatte ihn für einen Mechaniker gehalten, aber es handelte sich um niemand Geringeren als Hasso von Tegern, einen weltberühmten Einhandsegler. Ich betrachtete ihn neugierig, stellte aber fest, daß er zwei Hände hatte.
    »Was tut ein Einhandsegler?« fragte Gloria, die Journalistin, keck, indem sie sich rauchend den Lederrock glattstrich.
    Hasso von Tegern antwortete stolz, daß er siebenmal die Welt umsegelt habe, ganz allein, und immer mit einer Hand, da er die andere Hand ja für andere Zwecke gebraucht habe, wie man sich denken könne. Kochen, waschen, Zähne putzen, fotografieren, Tagebuch schreiben, Kombüse putzen. Ich war beeindruckt. Den alten Knaben wollte ich näher kennenlernen.
    Die dicke Diseuse mit der angeklebten Locke über dem linken Auge hieß Klara-Viktoria, und sie sah als einzige privat genauso bescheuert aus wie auf der Bühne. Neben ihr saß schüchtern Lars-Dars, ihr Pianist und Lebensbegleiter. Lars-Dars hatte auch noch die Aufgabe, nachts in der »Erzherzog-Ferdinand-Bar« zu spielen und Leute wie Rudolf und andere Saufbolde bei Laune zu halten.
    »Wann kann ich eigentlich abends aufhören?« fragte Lars-Dars. »Gestern war es fünf Uhr früh!«
    »Bis der letzte Gast in seine Kabine gegangen ist«, antwortete Fred Hahn. »Steht im Vertrag.«
    »Da kann ich ja lange warten«, maulte die dicke Diseuse.
    Ich grinste schadenfroh.
    »Euer Problem«, sagte Fred Hahn.
    Der liebe, gute alte Professor Weißenreim hielt es für angebracht, mit ein paar Ringelnatz-Verslein die Stimmung zu entschärfen.
    »Gibson (sehr nervig), Australien,
    Schulze, Berlin (ziemlich groß).
    Beißen und Genitalien
    Kratzen verboten. – Nun los!
    Ob sie wohl seelisch sehr leiden?
    Gibson ist blaß und auch Schulz.
    Warum fühlen die beiden
    Wechselnd einander den Puls? ...«
    Wir klatschten. Er beteuerte, daß er noch eintausendsechsundvierzig andere Gedichte auswendig hersagen könne, und Fred Hahn sagte: »Alles zu seiner Zeit.«
    Hinten am Bullauge saß der Schiffsarzt. Er hieß Notker Hundtgeburth. Ich betrachtete ihn versonnen. Schiffsärzte sind nach Kapitänen ja sicherlich die interessantesten Streifenhörnchen, aber dieser schien mir auf Anhieb nicht dazuzugehören. Er war zwar groß und halbwegs gut aussehend, hatte aber immer eine kleine weiße Schleimspur in jedem Mundwinkel, und wenn er länger sprach, wurde aus dem Schleim ein blubbernder Brei, der Fäden zog. Ja konnte denn dieser Schiffsarzt nicht mal eine Serviette zur Hand nehmen oder einfach nur schlucken, wie andere Leute auch? Nein, dieser Doktor Notker Hundtgeburth kam für mich überhaupt nicht in Frage. Er erzählte heiter, daß sich an Bord eine komplette Dialysestation befände, auch ein Kreißsaal für Gebärfreudige, aber das käme bei dem Alter der mitreisenden Passagierinnen nicht so häufig vor (kicher), auch ein komplettes Zahnarztbesteck sei vorhanden (würg), und außerdem würden immer mindestens acht Zinksärge mitgeführt (schluck!). Gerne dürften wir Künstler ihn auf Deck drei in seiner Bordklinik »Queen Mum« besuchen, er säße doch meistens untätig herum und freue sich über Abwechslung.
    Das tun hier alle Sträflinge,

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