Mord an der Leine
befragen. Natürlich ist mir aufgefallen, dass Manuela Tuchtenhagen
heute erst nach acht Uhr gesehen wurde. Es war halb neun, als sie am
Zeitungsladen vorbeigelaufen ist. Der Putzteufel hat aber gesagt, sie würde
eher etwas vor acht, aber nie später kommen.«
»Wenn die Frau pünktlich zur Arbeit erschienen ist,
muss sie Zeuge der Auseinandersetzung gewesen sein und kann uns auch den Namen
des Mörders nennen. Oder sie ist später gekommen. Dann wäre interessant, zu
erfahren, weshalb sie von ihrem gewohnten Rhythmus abgewichen ist.«
»Sie vergessen die dritte Möglichkeit«, sagte
Putensenf.
Frauke schüttelte den Kopf. »Das wollte ich Ihnen
überlassen. Schließlich sollen wir als Team operieren.«
»Sollen oder wollen?«, schob Putensenf zwischen den
Zähnen hervor.
»Im Orient würde man von einer Zwangsehe sprechen.«
»Das heißt, wir sollten vorrangig Manuela Tuchtenhagen
suchen. Oder ihren Mann, da anzunehmen ist, dass sie sich zu dem geflüchtet
hat.«
Frauke lachte bissig. »Das ist das erste Mal, seit ich
Sie kenne, dass wir Übereinstimmung erzielen.«
»Ich hoffe, das bleibt die einzige Gemeinsamkeit«,
zischte Putensenf und startete den Motor.
Im Landeskriminalamt verschwand Putensenf wortlos in
seinem Büro. Sie hatten während der ganzen Rückfahrt kein Wort mehr gewechselt.
Frauke blieb einen Moment unschlüssig auf dem Flur stehen, bevor sie zu Richter
ging. Der Teamleiter saß an seinem Schreibtisch. Er hatte sich in seinem Stuhl
so weit zurückgelehnt, wie es die Wippautomatik zuließ, das linke Wadenbein auf
das rechte Knie gelegt und einen Aktenordner auf diesem Dreieck abgelegt. Ihm
war anzusehen, dass ihm das Durcharbeiten der Geschäftsordner wenig Vergnügen
bereitete.
Frauke wartete nicht darauf, dass ihr Platz angeboten
wurde. Sie setzte sich auf den Besucherstuhl.
»Haben Sie schon etwas entdeckt?«, fragte sie.
Richter las die Seite zu Ende, ohne aufzublicken,
blätterte um und studierte auch noch seelenruhig das nächste Blatt, bevor er
antwortete: »Nichts.«
»Womit hat Manfredi gehandelt?«
»Mit allem.«
»Geht es nicht präziser?«
»Soweit ich es erkennen kann, hat er Ware jeder Art
quer durch Europa verkauft. Wein von Italien nach Polen. Tomatenpüree von
Italien nach England. Einen alten Hafenkran von Triest nach Dakar. Textilien
von Mailand nach Marokko.«
»Kein Fleisch?«
Richter sah Frauke an. »Wieso?«
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, war das sein
früheres Metier.«
»Fleisch war auch darunter.«
»Aber nicht nach Deutschland?«
Richter horchte auf. »Wie kommen Sie darauf?«
»Sie haben einen bunten Strauß von Bestimmungsländern
aufgezählt. Aber keine Lieferung führte in die Bundesrepublik.«
»Europa ist zusammengewachsen. Wir haben einen
gemeinsamen Markt«, gab Richter zu bedenken.
»Wenn Manfredi eine Handelsagentur betreibt, die
internationale Geschäfte tätigt, würde ich fast erwarten, dass er seinen
Firmensitz in Hamburg hat. Oder Bremen. Hannover ist sicher nicht das internationale
Zentrum für globales Business.«
»Was wollen Sie damit sagen?« Richter klang empört.
»Sie sind ein paar Stunden hier und glauben, sich ein Urteil über unsere Stadt
erlauben zu können.«
»Mir war nur aufgefallen, dass Manfredi seine Ware
überallhin verkauft hat, nur nicht in die Bundesrepublik. Somit können wir
nicht nachprüfen, ob die Ware wirklich verkauft wurde oder nur auf dem Papier
existiert.«
»Ihre Phantasie in allen Ehren, aber wir sind hier
nicht die Steuerfahndung.«
»Und wenn Manfredi sich nach dem Gammelfleisch in
diesem Metier getummelt hat?«
»Falls wir Verdachtsmomente für Wirtschaftsstrafsachen
ermitteln, werden wir die Kollegen vom zuständigen Fachkommissariat
einschalten. Nun entschuldigen Sie mich. Ich muss weiterarbeiten.«
»Als Teamleiter können Sie mir sicher sagen, wo sich
mein Arbeitsplatz befindet. Ich benötige dringend ein eigenes Büro mit der
dazugehörigen Infrastruktur.«
»Das ist nicht meine Aufgabe. Wenden Sie sich an Herrn
Ehlers«, brummte Richter.
»Wollen Sie gar nicht wissen, was Putensenf und ich
bei unserem Besuch bei den griechischen Putzmännern herausgefunden haben?«
Richter sah auf die Uhr. »Jakob wird in zehn Minuten
zu mir kommen und berichten.«
»Da wäre ich gern dabei.«
»Sie sollten sich zunächst um die Suche nach der
Sekretärin kümmern. Das hat Vorrang.«
»Schön. Eine letzte Frage. Wo finde ich die Akten zu
den früheren Ermittlungen gegen Manfredi, die
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