Mord an der Leine
durchs
Küchenfenster gesehen, wie er ins Haus geeilt ist. Nach wenigen Minuten ist er
mit einer kleinen Reisetasche wieder herausgekommen und schnell weggefahren.
Na, vielleicht musste er überraschend auf Geschäftsreise.«
»Kommt das öfter vor?«
»Eigentlich nicht«, sagte die hilfsbereite Nachbarin.
»Seit er bei Schröder-Fleisch tätig ist, hat er regelmäßige Arbeitszeiten.
Außerdem geht er morgens immer vor Manuela aus dem Haus. Etwa eine halbe Stunde
früher. Und auf Dienstreise geht er sonst auch nicht.« Sie wurde kurz von dem
Kind abgelenkt, das ungeduldig an ihrem Hosenbein zerrte. »Gleich, mein
Schatz«, sagte die Frau und strich dem Mädchen über den Kopf. Dann wandte sie
sich wieder an Frauke. »Sie müssen nicht glauben, dass ich neugierig bin. Aber
hier leben viele in unserem Alter, und wir haben in dieser Straße eine gute
Nachbarschaft.«
Die beiden Beamten bedankten sich und kehrten zu ihrem
Fahrzeug zurück.
»Es hat den Anschein, als wäre Manuela Tuchtenhagen
flüchtig, nachdem sie Marcello Manfredi heute früh – vielleicht im Streit – mit
dem Fleischklopfer erschlagen hat. Sie hat ihren Ehemann angerufen und hält
sich nun irgendwo verborgen, während Tuchtenhagen ihr ein paar Sachen aus der
Wohnung geholt hat und diese in ihr Versteck bringt.« Putensenf grunzte
zufrieden. »Die Bürger wundern sich häufig, dass es bei Tötungsdelikten eine so
hohe Aufklärungsquote gibt und die Täter relativ schnell gefasst werden.« Er
sah auf die Uhr. »Es sieht so aus, als hätten wir den Fall innerhalb weniger
Stunden geklärt. Ich werde jetzt Richter informieren.«
Putensenf holte sein Handy hervor und berichtete dem
Teamleiter, was sie von der Nachbarin erfahren hatten und welche Theorie »die
beiden Beamten vor Ort« entwickelt hatten. Dann drehte er sich zufrieden zu
Frauke um.
»Das war Ihre Theorie, nicht unsere «, belehrte
sie Putensenf.
»Herrje noch mal«, antwortete er zornig. »Nun zeige
ich kollegiale Züge und möchte Sie am Erfolg teilhaben lassen, aber das ist
Ihnen auch nicht recht.« Er schlug sich leicht mit der flachen Hand gegen die
Stirn. »Da werde einer aus den Rockträgern schlau.«
»Wie Sie sehen, trage ich auch Hosen.«
Putensenf seufzte. »Damit hat das ganze Elend
angefangen: Als die Frauen begannen, in Hosen zu schlüpfen. Die Überlegenheit
des männlichen Geschlechts resultiert aber nicht allein aus der Tatsache, dass
wir Hosen tragen.«
Frauke bemerkte amüsiert mit einem Seitenblick, dass
Putensenf enttäuscht war, als sie ihm nicht widersprach.
»Was hat Ihr Chef nun geantwortet?«, kehrte sie
zum Thema zurück.
» Unser Teamleiter schreibt die beiden
Tuchtenhagens zur Fahndung aus. Außerdem gibt er eine Beschreibung der beiden
Fahrzeuge durch. Sie werden dringend der Tötung zum Nachteil des Marcello
Manfredi verdächtigt«, sagte Putensenf im gestelzten Behördendeutsch.
»Da bleibt noch eine Menge Arbeit«, stellte Frauke
fest. »Uns fehlen Beweise und das Motiv.«
»Beides bekommen wir mit dem Geständnis.« Putensenf
gab sich zuversichtlich. »Die Tuchtenhagens sind schließlich keine
hartgesottenen Verbrecher. Solche Leute sind froh, wenn sie ihr Gewissen
erleichtern können.«
»Optimist.«
»Donnerwetter«, fluchte Putensenf. »Wenn Gott wirklich
schlau gewesen wäre, hätte er die Frau nicht mit Sprache ausgestattet.« Er
drehte das Autoradio an, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der
Brust. Ein wenig später schloss er die Augen. Frauke war sich nicht sicher, ob
Putensenf nicht in einen leichten Schlummer verfallen war. In ihrem
Kommissariat in Flensburg hätte sie solche Mitarbeiter nicht geduldet. Die
Beamten, für die sie die Personalverantwortung getragen hatte, wussten, dass
man einer Frauke Dobermann nicht widersprechen durfte. Lediglich der Leiter der
Kriminaltechnik, der ewig erkältete Klaus Jürgensen, nahm sich ihr gegenüber
ein paar Freiheiten heraus. Und natürlich die selbstbewussten Husumer.
Christoph Johannes, der es immer wieder fertigbrachte, außerhalb aller
Dienstwege mit seinem Team Tötungsdelikte zu klären. Und schließlich Große
Jäger, der ungepflegte, aber gutmütige Grantler. Mit der Entfernung zu
Flensburg schwand ihr Missfallen gegenüber den Menschen, mit denen sie die
letzten Jahre ihres Berufslebens zugebracht hatte. Besonders Große Jäger würde
nicht auf den Durchsuchungsbeschluss gewartet haben, sondern mit Sicherheit
»eine zufällig offene Tür entdeckt haben«. Nein!
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