Mord an der Leine
Ich habe an beide Rufnummern des
Duplexanschlusses gedacht.«
»Und wenn Manuela Tuchtenhagen ihren Mann im Betrieb
angerufen hat?«, gab Frauke zu bedenken.
Von Wedell griff zu seinem Handheld und tippte in
Windeseile eine Kurznachricht ein. »Da bin ich auch hinterher«, sagte er, und
jeder im Raum spürte, dass der junge Kommissar daran bisher nicht gedacht
hatte. »Das erledige ich mit den Nachforschungen, wann der Mann heute Morgen
zur Arbeit erschienen ist.«
Putensenf räusperte sich. »Wir haben es hier mit einem
Mord zu tun, Bernd. Sollten wir den Fall nicht an die Mordkommission abgeben?«
»Das wäre zu überlegen«, stimmte Madsack ein.
Bevor Richter antworten konnte, sagte Frauke: »Das mag
vielleicht der korrekte Dienstweg sein. Wir haben aber inzwischen eine Reihe
von Punkten zusammengetragen und verfolgen einige Spuren. Wenn wir jetzt das
Dezernat wechseln würden, entstünden Zeit- und Informationsverluste. Deshalb
wäre es nicht klug, sich aus den Ermittlungen zurückzuziehen.«
Fraukes Gedanken schweiften zu Hauptkommissar
Christoph Johannes und seinem Husumer Team ab. Genauso hatten die Nordfriesen
stets argumentiert, wenn sie sich in Mordermittlungen eingemischt und nach
Fraukes Ansicht ihre Kompetenzen überschritten hatten. Da die Bearbeitung
ungeklärter Todesfälle in ihren Zuständigkeitsbereich fiel, hatte es oftmals
heftige Auseinandersetzungen zwischen ihr und den Husumern gegeben. Und jetzt
vertrat sie die gleiche Auffassung wie Christoph Johannes.
»Ich teile Frau Dobermanns Ansicht«, sagte Richter.
»Wir sollten den Vorgang weiterverfolgen.«
»Ein Wunder ist geschehen«, sagte Putensenf und
streckte seine Hände wie zum Gebet zur Zimmerdecke. Er zog damit alle Blicke
auf sich. »Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ihr einmal gleicher
Meinung seid«, erklärte er und sah abwechselnd Richter und Frauke an.
»Jakob!«, rügte ihn Richter. Dann fragte er in die
Runde: »War’s das? Oder hat jemand noch etwas?«
»Ja«, sagte Frauke. »Sind Sie mit der Durchsicht der
Geschäftsunterlagen weitergekommen?«
»Ich habe nichts gefunden, was uns weiterhilft.
Manfredi scheint auf den ersten Blick saubere Geschäfte getätigt zu haben.«
»Wo finde ich die Akten des alten Falls, in dem Sie
gegen Manfredi ermittelt haben?«
»Sind die noch nicht da?«, fragte Richter erstaunt.
»Das ist eine Schlamperei. Wenn alle Stellen im Hause so arbeiten würden … Ich
kümmere mich darum.«
»Und wie sieht es mit einem eigenen Arbeitsplatz aus?
Dienstausweis? Waffe?«
»Sie sehen doch, dass wir im Augenblick viel um die
Ohren haben. Die Ermittlungen müssen Vorrang haben.«
»Sie dürfen sich gern bei mir einrichten«, lud Madsack
Frauke ein. »Sie stören mich nicht. Ganz im Gegenteil. Ich glaube, dass es ein
fruchtbarer Gedankenaustausch sein könnte.«
»Nathan, hör auf zu flirten. Bei dem Eisblock hast du
keine Chance«, grunzte Putensenf.
»Wie wär’s, Jakob, wenn du deine Kräfte auf die Suche
nach dem Ehepaar Tuchtenhagen konzentrierst?«, fuhr ihn Richter an.
»Das große Programm?«
»Natürlich.«
»Haben Sie alles notiert, Guido?«, fragte Putensenf.
Frau Westerwelle stöhnte leise und nickte dabei.
Frauke saß Madsack in dessen engem Büro gegenüber. Sie
war ratlos. Derzeit waren ihr die Hände gebunden. Alle zu vergebenden
Aktivitäten wurden durch andere Kollegen ausgeführt. In Flensburg hätte sie als
Leiterin des Kommissariats weitere Maßnahmen eingeleitet, die Mitarbeiter
gesteuert und die gesamten Ermittlungen koordiniert. Hier hatte sie nicht
einmal einen eigenen Schreibtisch. Und Richters Arbeitsstil wich erheblich von
ihrem ab. Der Hauptkommissar saß in seinem Zimmer und blätterte geduldig durch
die bei Manfredi konfiszierten Geschäftsunterlagen. Ihren Vorschlag, ihm dabei
behilflich zu sein, hatte er abgelehnt.
»Das sind nur wenige Vorgänge. Da würden wir unsere
Ressourcen falsch einsetzen«, hatte Richter abgewehrt. »Außerdem bin ich mit
der Materie durch unsere damaligen Ermittlungen besser vertraut als Sie. Hinzu
kommt, dass viele Dokumente in italienischer Sprache abgefasst sind. Die müssen
wir übersetzen lassen. Haben Sie inzwischen Italienisch gelernt?«
Diese rhetorische Frage Richters hatte sie natürlich
verneinen müssen. Mit Mühe verstand sie die Unterschiede der italienischen
Bezeichnungen für die Angebote in der Pizzeria. Sie hatte Madsack noch einmal
gefragt, ob er nicht die Herbeischaffung der alten Akten
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