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Mord an der Leine

Mord an der Leine

Titel: Mord an der Leine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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aufbrachen. Eine abgehetzt
wirkende Kellnerin, der man die Studentin auch ungefragt ansah, stapelte das
leere Geschirr zusammen, fuhr einmal mit der Speisekarte über die Tischdecke,
um die Krümel zu beseitigen, und fragte nach ihren Wünschen. Sie bestellte
einen Cappuccino.
    Während ihres ziellosen Bummels durch die Stadt hatte
sie das unbestimmte Gefühl gehabt, dass ihr jemand folgte. Wer schleicht dir am
ersten Tag in einer neuen Stadt hinterher?, hatte sie sich eine Närrin
gescholten und sich geweigert, dieses Kribbeln im Nacken zu akzeptieren. Sie
rückte ihren Stuhl zurecht, damit sie das Treiben besser beobachten konnte. Dann
entdeckte sie ihren Verfolger. Der sechste Sinn hatte also doch nicht getrogen.
    Lars von Wedell kam mit gesenktem Haupt und
schuldbewusster Miene an ihren Tisch.
    »Darf ich?«, fragte er und nahm neben ihr Platz, ohne
die Antwort abzuwarten.
    Sie musterte den jungen Kommissar. Er hatte ein
frisches, offenes Gesicht. Die Wangenknochen lagen etwas zu hoch und betonten
dadurch im schmalen Gesicht das spitze Kinn. Die braunen Haare trug er in einem
angedeuteten Scheitel. Dass er sie nicht streng gekämmt hat, steht ihm gut,
dachte Frauke und sah einen Moment nachdenklich auf den glitzernden Sticker im
linken Ohrläppchen.
    »Das hätten Sie einfacher haben können«, lächelte sie.
»Als wir uns vorhin auf dem Flur trafen, hätten Sie mich nur fragen müssen.
Oder haben Sie befürchtet, ich hätte Nein gesagt?«
    »Nun ja«, druckste von Wedell herum. »Um ehrlich zu
sein – es war eine spontane Idee, als Sie schon an mir vorbei waren.«
    »Und was verschafft mir das Vergnügen Ihrer
Gegenwart?«
    »Sie haben es heute Morgen gehört. Ich bin ganz neu.
Polizist war schon mein Traumberuf, als ich ein kleines Kind war.«
    »Da schwärmt jeder Junge von. Es gibt kaum einen
Knaben, der sich nicht als eifriger und stahlharter Verfechter der guten Sache
sieht.«
    Lars von Wedell schüttelte den Kopf. »Mag sein.
Natürlich habe auch ich eine solche Phase durchlebt.« Er zeigte ein
jungendliches Lachen. »Das muss zwischen dem Lokomotivführer und dem
Astronauten gewesen sein. Und Sie? Wollten Sie nicht auch irgendwann Friseurin
werden?«
    »Sie sind bei Ihrem Kindheitstraum geblieben«, ließ
Frauke seine Frage unbeantwortet.
    »Ja. Vielleicht werde ich irgendwann einmal vom Alltag
überrollt und desillusioniert.«
    »So wie Jakob Putensenf?«
    Von Wedell schüttelte heftig den Kopf, dass seine
Haare in Bewegung gerieten. »Das ist kein übler Bursche. Er ist nur mit dem
Mund vorweg. Dahinter steckt aber ein guter Kern. Glaube ich jedenfalls«, schob
er halblaut hinterher.
    »Sie haben sich aber nicht an meine Fersen geheftet,
um ein Plädoyer für den Poltergeist des Teams zu halten?«
    »Nein, natürl…« Von Wedell wurde durch die Bedienung
unterbrochen, die Fraukes Cappuccino brachte.
    »Und? Was darf es für dich sein?«, fragte sie den
jungen Kommissar.
    »Auch so was.«
    Frauke registrierte, dass die Kellnerin von Wedell wie
selbstverständlich duzte. Das war unter jungen Leuten durchaus üblich.
Insbesondere in einer Umgebung wie dieser. Da gehörst du nicht mehr zu, dachte
sie. Auch wenn es dir nicht sympathisch wäre, dass man dich duzt, so musst du
doch gelten lassen, dass man dich gar nicht mehr als dazugehörig wahrnimmt.
    »Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja. Ich wollte aus
einem anderen Grund mit Ihnen sprechen. Nicht offiziell. Also nicht auf der
Dienststelle.«
    »Sind Sie immer so vertrauensselig? Sie kennen mich
erst ein paar Stunden.«
    »Keine Sorge. Ich bin schon vorsichtig. Also. Ich
wollte Polizist werden und habe mich riesig gefreut, als ich im
Auswahlverfahren unter den zahlreichen anderen Bewerbern angenommen wurde. Dann
kam die Ausbildung, und seit einem Monat bin ich dabei.«
    »Normalerweise beginnt man auf einer kleinen
Dienststelle in einem Kommissariat für Diebstahl, Betrug oder Ähnlichem. Es ist
ungewöhnlich, dass ein – Verzeihung – Anfänger gleich zur organisierten
Kriminalität kommt. Haben Sie Beziehungen?«
    »Nein. Nichts. Mein Vater ist Lektor in einem
landwirtschaftlichen Fachverlag. Und auch sonst gibt es keine Verwandten, die
in einflussreichen Positionen sitzen. Ich habe einfach Glück gehabt.«
    »Nun denn.« Frauke trank einen Schluck Cappuccino,
fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, griff zur Zuckerschütte und ließ eine
größere Menge in ihre Tasse rieseln. Sie probierte erneut. Diesmal fand das
Getränk ihre

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