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Mord an der Leine

Mord an der Leine

Titel: Mord an der Leine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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und den Wohnbereich und war mit hellen Buchenmöbeln aus einem einheitlichen
Programm eingerichtet. Alles war hell und freundlich und machte einen sauberen
Eindruck, obwohl Frauke auch hier die Spur Individualität vermisste. Alles,
einschließlich der Drucke von Matisse an den Wänden, wirkte steril, ohne jede
persönliche Note.
    Ihre beiden Kollegen stöberten zwischen den Regalen
und in den Schubladen und Schränken der Möbel. Frauke warf einen Blick auf die
in die lockere Möblierung eingestreuten Fächer mit Büchern. Es schien, als wenn
sich der Lesegeschmack der Hausbesitzer stringent an den Bestsellerlisten des
»Spiegel« orientierte.
    Sie ließ Putensenf und von Wedell allein. Es gab
nichts Konkretes. Frauke war sich sicher, dass sie in diesem Haus keine Beweise
finden würden. Vielmehr kam es ihr darauf an, sich einen Eindruck zu
verschaffen, ob jemand geplant oder überhastet das Haus verlassen hatte. Im
Obergeschoss stand die Tür zu einem Raum offen, der kombiniert als Arbeits- und
Gästezimmer genutzt wurde. Sie warf einen kurzen Blick hinein und konzentrierte
sich auf das Bad und das Schlafzimmer. Das Badezimmer machte einen ebenso
gepflegten Eindruck wie die anderen Räume. Auf einem gefliesten Mauervorsprung
über dem Doppelwaschbecken und dem die ganze Wand bedeckenden Kristallspiegel
standen, sauber aufgereiht, die Toilettenartikel der Hausbewohner. Links war
die Abteilung des Mannes. Frauke schmunzelte im Stillen, als sie registrierte,
dass Manuela Tuchtenhagen gut zwei Drittel der Fläche für sich beanspruchte.
Unübersehbar war aber die Lücke, die inmitten der Aneinanderreihung von
Tiegeln, Töpfchen und Flakons entstanden war. Frauke zweifelte nicht daran,
dass der Ehemann bei seinem kurzen Besuch im Hause mehr oder weniger wahllos
Kosmetika und Pflegeartikel zusammengesucht hatte. Es passte auch nicht zur
sonstigen Ordnung im Hause, dass die Tür des Schranks aus weißem Echtholz offen
stand. Auch hier fehlten Toilettenartikel. Rasierschaum und der Nassrasierer
lagen sauber auf dem Bord über dem rechten Waschtisch, aber im Ladegerät des
Mundhygienecenters fehlte die elektrische Zahnbürste. Frauke suchte nach
Zahnpasta, fand aber keine Tube. Wer nahm bei einer Abwesenheit eine
elektrische Zahnbürste ohne das dazugehörige Ladegerät mit? Der Ehemann hatte
bei der Zusammenstellung nicht sehr planvoll gehandelt.
    Frauke ging ins Schlafzimmer. Auch hier sah es
aufgeräumt aus. Sogar eine Tagesdecke lag auf dem Doppelbett. Dazu passte
allerdings nicht der offene Kleiderschrank. Auch hier musste Thomas
Tuchtenhagen wahllos Sachen seiner Frau zusammengerafft und in einem Koffer
verstaut haben. Frauke besah sich die Fächer im Schrank genauer. Da Manuela
Tuchtenhagen über ein umfangreiches Repertoire an Kleidung zu verfügen schien,
war auf den ersten Blick nicht ersichtlich, wie viel fehlte. Auf der Tagesdecke
zeichnete sich aber deutlich der rechteckige Abdruck eines gefüllten Koffers
ab.
    Für Frauke war es eindeutig, dass der Ehemann nach dem
Anruf seiner Frau die angeforderten Gegenstände planlos und unüberlegt
eingepackt hatte. Das hieß, sie musste ihn telefonisch davon in Kenntnis gesetzt
haben, dass sie sich in einer Notsituation befand und dringend seiner Hilfe
bedurfte.
    Sie kehrte ins Erdgeschoss zurück, wo ihre beiden
Kollegen immer noch mit der Sichtung der Inhalte von Schubladen und
Regalfächern beschäftigt waren. Putensenf blickte kurz auf. »Haben Sie etwas
gefunden?«, fragte er.
    »Ich habe nichts berührt, bevor es fotografiert ist«,
antwortete sie ausweichend. »Und Sie?«
    »Nichts«, knurrte Putensenf kurz angebunden und wühlte
sich weiter durch Tuchtenhagens Intimsphäre.
    Frauke zog sich einen Esszimmerstuhl hervor und nahm
darauf Platz. Schweigend sah sie den beiden Beamten zu, bis Putensenf sich
aufrichtete.
    »Ist das Durchsuchen nicht mehr Ihre
Besoldungsklasse?«
    Sie schenkte ihm ein Lächeln. »Wonach suchen Sie? Ich
würde Ihnen gern behilflich sein.«
    »Wir sind auf der …« Putensenf hielt mitten im Satz
inne und winkte ab.
    Frauke berichtete von ihrer Entdeckung, die sie im
Obergeschoss gemacht hatte, und welche Vermutungen sie daraus ableitete.
    »Hm«, war der ganze Kommentar Putensenfs dazu, als das
Telefon klingelte. Er sah sich um, entdeckte den Apparat, beugte sich über das
Display und murmelte: »Anrufer unbekannt.« Dann nahm er ab und meldete sich mit
»Ja, hallo«.
    Putensenf lauschte einen Moment und legte seine Hand
über den Hörer.

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