Mord an der Leine
lassen, unsaubere Geschäfte zu tätigen, die
der Philosophie von Schröder-Fleisch grundsätzlich nicht entsprechen. Daraufhin
sind auch Köpfe gerollt, und sowohl die Betriebsleitung in Oldenburg wie die
Geschäftsführung am Stammsitz in Hannover wurden ausgetauscht. Ich bin danach
gekommen. Und mein Kollege Bergner auch. Der ist Geschäftsführer für die
Produktion.«
»Wo waren Sie vorher?«
»Ich war für eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
tätig«, erklärte Steinhövel bereitwillig. »Also völlig branchenfremd.«
»Und Herr Schröder?«
»Das ist ein alter Familienbetrieb. Der wird immer
noch als Einzelunternehmen geführt. Der Großvater, Friedrich Schröder, hatte
eine kleine Landschlachterei in Pattensen. Die hat er ausgebaut. Sein Sohn
Arthur hat das übernommen und mit Geschick weiterentwickelt, bis der jetzige
Inhaber Paul Schröder in das Unternehmen einstieg und es zu seiner heutigen
Größe und Bedeutung führte.«
»Und wo ist Paul Schröder?«
»Der alte Herr ist Mitte achtzig, das vierte Mal
verheiratet. Mit einer vierzig Jahre jüngeren Frau. Er hat sich auf seinen
Alterssitz im Tessin zurückgezogen. Keines seiner sechs Kinder aus den
verschiedenen Ehen ist an der Geschäftsführung interessiert. So liegt diese
jetzt in fremden Händen. Das heißt aber nicht, dass der alte Schröder die Sache
nicht im Griff hat. Einmal im Monat müssen Bergner und ich im Tessin zum
Rapport antreten.«
»Ist Paul Schröder mit Schröder-Bau verwandt?«
Steinhövel schüttelte den Kopf. »Geschäftlich gibt es
keine Beziehungen. Ich bin mir nicht sicher, glaube aber, dass der
Bauunternehmer ein Cousin ist.«
Es ist wie überall, dachte Frauke. Hinter den Kulissen
gab es eine Handvoll Familien, die offen oder aus dem Verborgenen heraus die
Geschicke, wenn auch nicht bestimmen, so doch erheblich beeinflussen konnten.
Die Leute mit Einfluss, wie der Volksmund zu sagen pflegte.
»Herr Tuchtenhagen war Amtsveterinär in Oldenburg und
dort mit zuständig für die Überwachung der lebensmittelrechtlichen
Bestimmungen. Mutet es nicht merkwürdig an, wenn er nach dem Skandal, der
offenbar mangels hinreichender Beweise im Sande verlaufen ist, die Seiten
gewechselt und ein lukratives Angebot Ihres Hauses angenommen hat?«
»Wie gesagt. Ich war damals noch nicht bei
Schröder-Fleisch. Wenn ich richtig informiert wurde, hat Herr Tuchtenhagen
maßgeblich an der Aufdeckung der damaligen Missstände mitgewirkt. Das trifft
nicht auf jeden Mitarbeiter der Lebensmittelüberwachung zu. In bestimmten
Regionen sind die Fleischerzeuger und -verarbeiter wirtschaftlich so stark,
dass sie die Behörden unter Druck setzen können. Das geht von der Andeutung,
man könne als Steuerzahler seinen Standort auch in die Nachbargemeinde
verlegen, bis hin zum Abbau von Arbeitsplätzen. Tuchtenhagen hat sich offenbar
davon nicht abschrecken lassen. Das hat den Senior beeindruckt, und er hat
Thomas Tuchtenhagen für uns gewinnen können. Ein tüchtiger Mann.
Durchsetzungsstark. Eloquent. Das wird unseren Qualitätsanforderungen nur
gerecht.«
»Das sind ja wahre Lobeshymnen«, sagte Frauke.
»Ich versuche objektiv zu sein. Umso mehr verwundert
es mich, dass er überraschend abgetaucht ist. Glauben Sie, dass er und seine
Frau etwas mit dem Mord zu tun haben?«
»Im Rahmen der Ermittlungen befragen wir viele Leute.
Dazu gehören auch die Eheleute Tuchtenhagen«, antwortete Frauke ausweichend.
»Wir haben aber noch eine andere Bitte. Wir würden gern mit einem anderen
Mitarbeiter Ihres Betriebes sprechen. Leider kennen wir nur den Vornamen.
Simone. Das ist in diesem Fall ein männlicher Vorname.«
Steinhövel betätigte ein paar Knöpfe auf seinem
Telefonapparat. Über Raumlautsprecher meldete sich eine Frauenstimme. »Gerke.«
»Steinhövel. Frau Gerke, suchen Sie bitte alle
Mitarbeiter mit dem Vornamen Simone heraus.«
Einen kurzen Augenblick herrschte Schweigen in der
Leitung. Dann war die Mitarbeiterin wieder zu hören. »Ist das ein Scherz?«
»Wir haben eine sündhaft teure Software in Ihrer
Personalabteilung installiert. Die muss solche Möglichkeiten bieten.
Ende.« Steinhövel betätigte erneut einen Knopf, ohne die Erwiderung abzuwarten.
Dann sah er in Richtung Tür, als die blonde Frau mit den Getränken erschien.
Sie balancierte eine Kaffeekanne, Tassen, Zuckerwürfel und ein kleines
Milchtöpfchen auf einem Tablett, stellte das Geschirr vor den dreien ab,
schenkte ein und verschwand diskret.
Frauke interessierte sich
Weitere Kostenlose Bücher