Mord an der Leine
bei.
»Mich interessiert etwas anderes«, sagte Frauke und
zog die Blicke auf sich. »Ich habe insgesamt acht Schüsse gehört. Drei haben
wir geklärt. Nachdem keiner von uns dreien geschossen hat«, dabei zeigte sie
auf Madsack, Putensenf und sich, »bleiben noch fünf übrig.«
»Drei kann ich erklären«, sagte Richter. »Ich habe den
Täter verfolgt. Er lief den Weg Richtung Tor entlang.«
»Hast du ihn erkannt?«, fuhr Putensenf dazwischen.
»Dafür war es zu dunkel. Er hatte einen zu großen
Abstand. Plötzlich blieb er stehen und feuerte auf mich. Zwei Mal. Er hat mich
aus dieser Distanz aber nicht getroffen. Gott sei Dank.« Automatisch ging sein
Blick zu von Wedells Leichnam. »Ich habe daraufhin einen Schuss auf den Täter
abgegeben.«
»Dann bleiben noch zwei Schüsse, die wir aufklären
müssen«, sagte Frauke.
Richter nickte stumm.
»Wer fährt jetzt zu Lars’ Freundin und erklärt es
ihr?«, durchbrach Putensenf die Stille, die für einen Moment herrschte. »Du?«
Er zeigte auf Richter.
»Ich …« Richter schluckte. Deutlich war sein auf und
ab springender Adamsapfel zu sehen. »Ich werde es wohl machen müssen.«
»Wenn Sie damit einverstanden sind, übernehme ich es«,
bot sich Frauke an.
Man sah Richter deutlich die Erleichterung an.
»Danke«, sagte er. »Vielen Dank, Frau Dobermann.« Dann gab er ihr die Adresse.
»Ich fahre Sie«, bot sich Madsack an.
Frauke lehnte dankend ab. »Ich nehme den Wagen, mit
dem Herr von Wedell hergekommen ist«, sagte sie und ließ sich von einem Beamten
der Spurensicherung die Fahrzeugschlüssel aushändigen.
»Die Tante hat Nerven«, hörte sie hinter ihrem Rücken
Putensenf sagen.
Frauke hatte nicht gewusst, dass von Wedell nur einen
Steinwurf vom Landeskriminalamt und ihrer vorübergehenden Bleibe, dem kleinen
Hotel, entfernt gewohnt hatte. Die Fridastraße lag nahe der Fußgängerzone
Lister Meile und machte mit ihrer dichten Bebauung einen ruhigen Eindruck. Der
Altbau mit den Stuckornamenten in der Fassade strahlte Behaglichkeit aus.
Frauke blieb vor der Doppeltür mit den Kassettenelementen im Holz und dem
schmiedeeisernen Gitter vor den Fenstern eine Weile stehen.
»Von Wedell – Krafft« stand auf dem beleuchteten
Klingelschild. Frauke hatte kaum die Klingel betätigt, als der Summer ertönte
und die Tür aufsprang.
Das junge Paar hatte eine Wohnung in der obersten
Etage gemietet. Langsam erklomm Frauke Stufe um Stufe. Mit jedem Schritt schlug
ihr Herz schneller. Es war aber nicht die Treppe, die ihren Puls beschleunigte.
Als sie um den letzten Absatz bog und nur noch eine halbe Treppe zu bewältigen
hatte, sah sie Gesa Krafft. Die junge Frau stand – auf Socken – vor der
Wohnungstür. Sie trug eine helle Hose und ein Top, das ihren Bauchnabel und den
Blick auf ein Piercing frei ließ. Die blonden Haare hatte sie mit einem
Gummiband zu einem Pferdeschwanz gebunden. Erstaunen zeigte sich in ihrem
Antlitz, als sie Frauke gewahrte.
»Hallo?« Von Wedells Freundin zog eine Augenbraue
fragend in die Höhe.
»Hallo«, antworte Frauke. »Sie sind Lars’ Freundin?«
»Ja?« Die Antwort klang wie eine Frage.
Frauke hatte die letzte Stufe erreicht. Sie stand
jetzt vor der jungen Frau.
»Ich bin Frauke Dobermann. Eine Kollegin von Lars.«
Sie sah zur angelehnten Haustür. »Darf ich reinkommen?«
»Ja – natürlich.« Gesa Krafft ging voran. In dem
kleinen Flur, der von einer Glühbirne, die mit einem einfachen Stromkabel an
der Decke hing, beleuchtet wurde, standen noch Umzugskartons. Frauke entsann
sich, dass von Wedell erzählt hatte, das junge Paar habe die Wohnung erst vor
Kurzem bezogen.
»Hier entlang«, sagte die junge Frau und führte Frauke
in den Wohnraum.
Ein Sideboard, das noch nicht eingeräumt war, eine
Anbauwand, die halb aufgebaut war, zwei Freischwinger und ein schräg in den
Raum gestelltes Sofa, davor ein niedriger Tisch stellten die Möblierung dar.
Auf dem Tisch standen ein halb gefülltes Glas und eine Flasche Cola. Es lagen
ein paar bedruckte Blätter herum, auf denen jemand in gestochener Schrift
Notizen gemacht hatte. Im Hintergrund lief der Fernseher, auf dessen Bildschirm
sich ein paar Musiker in abenteuerlichem Outfit verrenkten und für Fraukes
Ohren einen grauenvollen Geräuschsalat produzierten.
»Können wir den Fernseher einen Moment abschalten?«,
bat Frauke und nahm auf einem der Freischwinger Platz, während sich Gesa Krafft
auf dem Sofa niederließ und dabei das linke Bein unter den rechten
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