Mord an der Leine
Tuchtenhagen erkannt?«
»Bernd Richter war mir ein ganzes Stück voraus. Als
ich ankam, waren nur noch die Rücklichter zu sehen. Richter hat aber eindeutig
Tuchtenhagens Fahrzeug identifiziert.«
»Und wer hat geschossen?«
Putensenf schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich habe
keinen einzigen Schuss abgegeben.«
»Wir müssen von Wedells Waffe sicherstellen«, sagte
Frauke. Sie fanden die Dienstpistole ein wenig abseits des Kopfs am Rande der
Pfütze.
Mittlerweile waren mehrere Streifenwagen und ein
weiterer Rettungswagen eingetroffen.
»Müssen Sie ärztlich versorgt werden?«, fragte
Madsack, der hinzugetreten war.
»Danke«, antwortete Frauke. »Alles in Ordnung. Haben
Sie geschossen?«
»Nein. Nicht einmal.« Madsack schien fast ein wenig
froh zu sein, dass er keinen Gebrauch von seiner Pistole hatte machen müssen.
Sie standen schweigend beisammen und sahen den
Rettungsleuten zu, während Richter den Einsatz der Polizisten organisierte. Ein
eisiger Schreck durchfuhr Frauke, als der Notarzt sich im Zeitlupentempo erhob,
einen langen Blick auf Lars von Wedell warf und dann auf die drei Polizisten
zukam.
»Es tut mir leid. Wir haben alles versucht«, sagte er
leise.
Ein ohnmächtiger Zorn erfasste Frauke. Warum war der
junge Kollege kaltblütig von hinten erschossen worden? Sie konnte es nicht
verstehen. Die ganze Aktion schien relativ harmlos zu sein. Gut. Der Ort des
konspirativ anmutenden Treffens war merkwürdig. Warum sollte Simone Bassetti
ausgerechnet das zu dieser Stunde verlassen liegende Messegelände gewählt
haben? Und warum hatte Thomas Tuchtenhagen, den Richter einwandfrei
identifiziert hatte, auf die Polizisten geschossen? Ob er auch von Wedells
Mörder war oder sich noch weitere Personen auf dem Gelände aufgehalten hatten,
mussten die Ergebnisse der Spurensicherung zeigen.
Sie standen zu dritt beieinander und schwiegen.
Richter wies die eingetroffene Hundertschaft ein und erklärte ihnen, wonach sie
suchen sollten. Indessen hatte die Spurensicherung mit ihrer traurigen Arbeit
begonnen. Der Fotograf schoss seine Aufnahmen, jemand hatte nummerierte
Schilder aufgestellt, ein Beamter im weißen Schutzanzug sicherte von Wedells
Dienstwaffe, und mehrere Beamte schwärmten aus, die Patronenhülsen zu suchen.
Schließlich fand Richter Zeit, sich zu den drei Polizisten zu stellen. Er
schluckte schwer, bevor er sprach. »Ich kann es nicht fassen. Warum hat man auf
uns geschossen? Weshalb wurde Lars so unglücklich getroffen, dass er jetzt
daliegt?«
»Das war kein zufälliger Treffer aus einem
Schusswechsel. Man hat ihn kaltblütig ermordet. Von hinten. Zunächst mit einem
Schuss niedergestreckt. Dann ist der Mörder herangetreten, hat einen weiteren
Schuss auf den Rücken abgegeben und seine Tat mit einem gezielten Kopfschuss
vollendet«, erklärte Frauke.
»Haben Sie das beobachtet? Oder einer von euch?«
Richter sah Putensenf und Madsack an.
Beide schüttelten stumm die Köpfe.
»Ich war auch kein Augenzeuge«, erklärte Frauke. »Aber
von der Art der Verletzungen muss es so gewesen sein.«
»Wie kommen Sie darauf, dass der Kopfschuss der letzte
war?«
»Logik. Wenn der Täter von Wedell bereits mit dem
zweiten Schuss in den Hinterkopf final erledigt hätte, wäre der zweite Schuss
in den Rücken überflüssig gewesen. Das deutet darauf hin, dass dem Mörder erst
danach der Gedanke gekommen ist, mit dem Kopfschuss unseren Kollegen endgültig
zu töten.«
»Aber warum wolle er unbedingt Lars’ Tod?«, fragte
Madsack dazwischen.
»Vielleicht hat er seinen Mörder erkannt?«, überlegte
Richter.
»Dann ist es umso erstaunlicher, dass Lars in den Rücken
geschossen wurde«, sagte Putensenf. »Wie soll er jemanden erkennen, der hinter
ihm ist?«
»Er kann ihn zuvor gesehen haben«, erklärte Richter.
»Von Angesicht zu Angesicht.« Der Hauptkommissar drehte sich ein wenig zur
Seite und rief dem leitenden Beamten der Hundertschaft zu: »Durchkämmt das
ganze Messegelände. Vielleicht ist noch ein zweiter Täter unterwegs. Simone
Bassetti«, sagte zu den drei anderen Polizisten gewandt. »Was ist, wenn die zu
zweit waren?«
»Welche Verbindung sollte es zwischen Tuchtenhagen und
Bassetti geben?«, fragte Madsack.
»Immerhin kennen die sich aus der Firma. Beide sind
bei Schröder-Fleisch. Und der Italiener hat sich über Tuchtenhagen ausgelassen.
Auf diese Weise ist Lars über ihn in der Pizzeria gestolpert.« Alle sahen
Putensenf an.
»Jakob hat recht«, pflichtete Richter ihm
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