Mord an der Leine
niedersächsischen Schinken als Original
aus Parma auszugeben? Das ist wirklich etwas Neues.«
»Die Mafia streckt ihre Fühler immer weiter aus. Sie
hat längst den Dunstkreis des Halbseidenen verlassen. Der Laie irrt, der
glaubt, Mafia wäre gleichbedeutend mit Zwangsprostitution, Drogenhandel und
Schutzgelderpressung. Erinnern Sie sich an das große Müllchaos in Neapel? Man
munkelt, dass dahinter die Mafia steckte. Die ehrenwerte Gesellschaft ist rund
um den Globus tätig und hat sich schon lange in seriösen Geschäftsfeldern
festgesetzt. Die Herren tragen Brioni-Anzüge und mischen im globalen Business
mit.«
»Probieren wir einmal, ob wir in den Niederungen
unseres Geschäfts weiterkommen.« Madsack griff zum Telefon und fragte nach, ob
es neue Anhaltspunkte bei der Überwachung von Tuchtenhagens Handy und
Kreditkarte gegeben hatte.
»Telefoniert hat er nicht. Aber zwei Mal Gebrauch von
der Kreditkarte gemacht. Er hat sich in Goslar bei einem Autoverleiher in der
Bismarckstraße einen Ford Focus Turnier besorgt. Auf seinen Namen und mit
seiner Kreditkarte. Das ist nicht sehr professionell.«
»Der Mann ist Tierarzt und nicht Berufsverbrecher«,
gab Frauke zu bedenken. »Es geht ihm wie der Mehrheit der Bevölkerung. Die
Leute wissen gar nicht, wie sie es auf die krumme Tour anstellen sollen. Ihnen
fehlt die kriminelle Energie.«
»Dafür zeigt Tuchtenhagen auf der anderen Seite aber
viel Geschick, um vor der Polizei zu flüchten«, sagte Madsack. »Wollen Sie das
Kennzeichen des Leihwagens haben?«
Frauke nickte und notierte sich die Münchener
Zulassungsnummer.
Sie wurden durch Richter unterbrochen. Er warf Frauke
einen unfreundlichen Blick zu und sagte mit mürrisch klingender Stimme zu
Madsack: »Bassettis Anwalt ist da.«
»Wer ist es?«
»Dottore Alberto Carretta«.
»Ach du Schande«, entfuhr es Madsack.
»Was ist mit dem?«, fragte Frauke.
»Wir haben jetzt keine Zeit für große Erklärungen«,
schimpfte Richter. »Komm schon, Nathan. Das macht alles keinen Spaß.«
Madsack schnappte sich seine Unterlagen und folgte in
seinem typischen Watschelgang dem Leiter der Ermittlungsgruppe.
Frauke nahm sich noch einmal die Protokolle vor.
Mehrfach las sie die Berichte vom Mord an Marcello Manfredi und vom Einsatz auf
dem Messegelände. Sie suchte nach Ungereimtheiten, verglich die Aussagen der
Zeugen mit den Ergebnissen der Spurensicherung, überdachte kritisch ihre eigene
Wahrnehmung vom Schusswechsel, bei dem Lars von Wedell hatte sterben müssen,
und fertigte sich schließlich auf mehreren Papierbogen kleine Zeichnungen an.
Dann nahm sie eine Karte der Region um Goslar zur Hand und studierte sie
sorgfältig.
»Wo sind die anderen?«, wurde sie unterbrochen. Ehlers
hielt sich am Türrahmen fest.
»Richter und Madsack verhören Simone Bassetti. Da ist
inzwischen der Anwalt aufgetaucht.«
»Wer?«
»Dottore Alberto Carretta.«
»Ausgerechnet. Schlimmer hätte es nicht kommen können.
Wo ist Putensenf?«
»Der ist unterwegs und besorgt DNA -Vergleichsproben vom Ehepaar Tuchtenhagen und den beiden
griechischen Reinigungskräften aus Manfredis Büro.«
Ehlers fuhr sich mit der gespreizten Hand über die
Mundwinkel. »Ich hätte gern das ganze Team dabeigehabt. Dann kommen Sie bitte
mit.«
Sie folgte dem Kriminaloberrat in dessen geräumiges
Büro. Dort saß ein Mann, etwa Mitte vierzig, mit einem buschigen
Oberlippenbart, der ein wenig an Albert Einstein erinnerte. Die runde
Nickelbrille verlieh ihm ein fast fröhliches Aussehen, während die ordentlich gescheitelten
grau melierten Haare nicht dazu passten. Der Mann in der leichten
Wildlederjacke erhob sich, sagte: »Hoppla«, als er eine abgestoßene Aktentasche
umstieß, die er gegen das Stuhlbein gelehnt hatte.
Er gab Frauke die Hand. »Hilbiger«, stellte er sich
vor.
»Regierungsamtmann Hermann-Josef Hilbiger vom
Zollkriminalamt in Köln«, erklärte Ehlers und zeigte auf Frauke. »Erste
Hauptkommissarin Frauke Dobermann.«
Hilbiger zeigte ein leises Lächeln, als Ehlers Fraukes
Zunamen nannte.
Nach Aufforderung durch den Kriminaloberrat begann der
Zollbeamte zu berichten: »Wir haben einen Tipp aus Norwegen bekommen. Dort hat
man eine Lieferung Heroin entdeckt. Nicht viel. Eine eher geringe Menge.
Auffällig war die Art des Verstecks. Die kleinen Päckchen waren in Parmaschinken
versteckt. Original italienische Ware, die von einem Hannoveraner Exporteur
geliefert wurde.«
»Manfredi«, unterbrach Frauke den Zollfahnder.
»Genau.
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