Mord au chocolat
drauf.«
»Meinst du …« Atemlos starre ich ihn an, während mir
die Bedeutung seines Kommentars bewusst wird. »Heißt das, Owen wurde von der Mafia ermordet?«
»Möglich wär’s. Immerhin ist das New York City.«
»Aber, aber …«, stottere ich. »Wenn’s die Mafia war, finde ich niemals raus, wer ihn umgebracht hat.«
Da nimmt er seinen Fuß vom Blumenkasten, umklammert meine Schultern, und das tut – ich lüge nicht – ein bisschen weh. Dann presst er mich an die rote Ziegelmauer der Fischer Hall, und mein immer noch feuchtes Haar klebt auf der 1855-Plakette neben der Haustür.
»Denk nicht mal dran.« Er schreit nicht, seine Stimme klingt nicht einmal lauter als der normale Konversationston.
Das meint er sehr ernst. So ernst habe ich ihn noch nie gesehen. Nicht einmal, nachdem ich sein Lieblingssweatshirt vom College im Wäschetrockner auf Kindergröße reduziert habe. Sein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von meinem entfernt und verdeckt den blauen Himmel, den grünen Baldachin der Bäume, die Satellitenschüsseln auf den Ü-Wagen, die Taxis, die über den Washington Square fahren, die Studentenscharen, die in die Fischer Hall strömen. »All die Cops im ganzen Waverly? Warum sind die da?«
»Großer Gott«, flüstere ich nervös und starre seine Bartstoppeln an. Offenbar hatte er heute Morgen keine Zeit, um sich zu rasieren. Wie wäre es, wenn ich seine raue Wange streicheln würde? Das ist lächerlich, weil ich schon einen Freund habe. Der mir einen Heiratsantrag gemacht hat. Nun ja. So gut wie. »Es war nur ein Witz.«
»O nein.« Seine blauen Augen scheinen meine zu durchbohren. »Diesmal hältst du dich raus, Heather. Der
Täter war kein Student, und du mochtest das Opfer nicht besonders. Also bist du nicht für den Fall verantwortlich.«
Dorothy. Aus den »Golden Girls«. Wir beide sind Dorothy. Seltsam, was einem alles durch den Kopf geht, wenn die Lippen des Mannes, den man liebt, nur wenige Zentimeter entfernt sind. Insbesondere, wenn man mit einem anderen schläft. »Uh«, murmle ich, unfähig, meinen Blick von seinem Mund loszureißen. »Okay.«
»Das meine ich ernst, Heather.« Seine Finger graben sich noch fester in meine Schultern. »Halt dich raus.«
»Ja.« Unerklärlicherweise brennen Tränen in meinen Augen. Nicht, weil er mir wehtut – so fest hat er mich nun auch wieder nicht gepackt. Aber weil ich an Magda und Pete denken muss. Wie viel Zeit haben sie verschwendet, obwohl sie längst zusammen sein könnten? Nur Petes typisch männliche Begriffsstutzigkeit verhindert dieses Glück. Und Magdas weiblicher Stolz. Ich meine, er mag sie. Da bin ich mir fast sicher. Vielleicht, wenn ich Cooper einfach sagen würde, was ich empfinde …
»Cooper.«
»Wirklich, Heather, ich mein’s ernst. Womöglich war Veatch in irgendwas verwickelt, wovon du nichts ahnst. Verstehst du das?«
Ich hab’s schon mal versucht, ihm das zu sagen. Aber da erklärte er, dass er nicht mein Rebound-Spieler sein will. Hat Tad nicht bewiesen, wie gut er in dieser Position ist?
Trotzdem. Armer Tad! Wie kann ich ihm das antun? Immerhin will er mir diese Frage stellen. Andererseits – er besitzt nicht einmal einen Fernseher! Möchte ich den Rest meines Lebens mit jemandem verbringen, der jeden
Morgen fünf Kilometer mit mir laufen will, kein Fleisch und keine Fleischprodukte isst und keinen eigenen Fernseher besitzt? Nein. Einfach – nein. »Cooper.«
»Halt dich raus. Okay? Lass dir bloß nicht einfallen, diesen Mordfall aufzuklären. Gib’s auf. Sofort.«
»Cooper!«
Jetzt lockert er den Griff um meine Schultern, und seine eigenen entspannen sich. »Was?«
»Da gibt’s was, worüber ich mit dir reden will«, sage ich nach einem tiefen Atemzug. Das muss ich tun. Ich muss meinen Stolz hinunterschlucken und Cooper gestehen, was ich empfinde. Klar, das ist nicht der beste Zeitpunkt, weil ich vor meinem Arbeitsplatz stehe, am Tag, an dem mein Boss ermordet wurde. Aber wo ist der beste Ort, welche Zeit wäre am besten, um dem Mann, den man liebt und der diese Liebe nicht erwidert, zu erklären, man würde ihn lieben, obwohl er diese Liebe nicht erwidert? Nachdem man bereits den Heiratsantrag eines anderen angenommen hat?
»Nun, was gibt’s?«, fragt Cooper misstrauisch. Fürchtet er, ich würde eine große Szene machen und behaupten, ich könnte meinen Job verlieren, wenn ich den Mord an meinem Boss nicht aufkläre?
»Also …«, beginne ich nervös. Plötzlich schlägt mir das Herz bis zum Hals.
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