Mord au chocolat
statt der üblichen Brille, das Haar geglättet, die nackten Beine wirklich und wahrhaftig rasiert... Dazu ein Rock, vielleicht von dem Kostüm, das sie bei ihrem Bewerbungsgespräch getragen hat, und eine Bluse mit Peter-Pan-Kragen, dass so was immer noch produziert wird, wusste ich gar nicht.
Jedenfalls ist es ein Rock.
Sie sieht gut aus. Sogar sexy, im Stil einer aufreizenden Bibliothekarin.
»Eh – bye, Cooper.« Langsam steige ich aus dem BMW und schließe die Tür.
Dann sehe ich, wie er den Kopf schüttelt, bevor er davonfährt und mich mit Sarah allein lässt. Offenbar muss ich mich etwas später mit diesem herzzerreißenden Lächeln befassen.
Um die Wahrheit zu gestehen... Zum ersten Mal seit Monaten werden Cooper und ich einen Abend zu zweit im Sandsteinhaus verbringen, nachdem mein Dad ausgezogen ist, und diese Erkenntnis beschleunigt meinen Puls schon wieder.
Hör auf mit dem Unsinn, Heather, du bist mit einem anderen verlobt – nun ja, so gut wie. Und zwar mit dem Mann, den du heute Abend wiedersehen müsstest.
Komisch, der Gedanke, den Abend mit Tad zu verbringen, beeinflusst meine Herzfrequenz nicht im Geringsten.
Obwohl die Bibliothek eine Viertelmeile entfernt liegt, höre ich die GSC-Demonstranten singen – was genau, verstehe ich nicht. Aber die schrillen Stimmen dringen so deutlich zu mir wie der Verkehrslärm von der Sixth Avenue, der hinter dem Häuserblock vorbeibraust.
»Hi, Heather«, grüßt Sarah und zupft an ihrem Rock. »Ich – ich wollte mit Ihnen reden. Aber Sie waren nicht da.«
»Ich musste was erledigen«, antworte ich lahm. »Warum protestieren Sie nicht da drüben? Und warum haben Sie sich so herausgeputzt?«
»Oh...« Sarah verzieht ihr hübsches Gesicht. Ja, ausnahmsweise ist sie richtig hübsch. »Sehe ich zu aufgetakelt aus? Soll ich raufgehen und mich umziehen? Ich habe Sie gesucht. Weil ich Sie fragen wollte, was ich tragen soll. Aber Sie waren nicht da. Deshalb ging ich zu Magda. Sie hat mir – hierzu geraten.«
Ich mustere sie von oben bis unten. Wirklich, sie sieht fantastisch aus. »Das war Magdas Idee?«
»Ja. Es ist zu auffällig, nicht wahr? Das wusste ich. Ich hab’s ihr auch gesagt. Okay, ich lauf wieder rein und zieh mich um.«
»Nein«, sage ich und halte ihr Handgelenk fest. »Ehrlich, Sie sehen fabelhaft aus. Zumindest finde ich das. Wohin gehen Sie denn?«
Die Röte in ihren Wangen stammt nicht vom Rouge.
»Nun ja – Sebastians Eltern sind in der Stadt. Heute Morgen wurde er angeklagt und gegen Kaution freigelassen. Wir treffen uns in China Town, dort werden wir irgendwo essen.«
Darüber muss ich lachen. »Dann ist das der Look, in dem Sie seine Eltern beeindrucken wollen?«
»Ich weiß, ich sehe idiotisch aus«, seufzt sie und zerrt an ihrem Handgelenk, das ich immer noch festhalte. »Ich zieh mich um.«
»Unsinn, Sie sehen wundervoll aus.«
»Meinen Sie das ernst?«, murmelt sie. Zaudernd gibt sie ihren Widerstand auf.
»O ja«, versichere ich und lasse sie los. »Wenn Sebastian Sie anschaut, wird er ausflippen. Immerhin hat er vierundzwanzig Stunden hinter Gittern verbracht. Was haben Sie denn mit dem Jungen vor?«
Die Röte in ihren Wangen vertieft sich. »So etwas erwartet er nicht von mir. Aber genau das würde ich mir wünschen.«
»Sobald er Sie in diesen High Heels sieht, kann er an nichts anderes mehr denken. Nun sind Sie Magda was schuldig.«
Sarah kaut an ihrer Unterlippe. Keine gute Idee, wenn man einen Lippenstift benutzt hat. Der steckt zum Glück in ihrer kleinen ledernen Tasche, die sie mit zitternden Fingern öffnet. »Oh, ich fühle mich so mies, weil ich die GSC im Stich lasse«, klagt sie und zieht ihre Lippen nach. »Heute Abend haben wir unsere große Versammlung. Aber auch das ist wichtig.«
»Klar.«
»Da geht’s nicht nur um Krankenversicherungen. Sebastians Leben steht auf dem Spiel.«
»Ja, das verstehe ich. Er müsste dankbar sein, weil er Sie hat.«
»Wenn er das bloß merken würde!«, jammert sie und verstaut den Lippenstift wieder in ihrer Tasche. »Heather, ich möchte noch über was anderes mit Ihnen reden. Bis das alles geklärt ist und die Anklage fallen gelassen wird – oder was auch immer, darf er die Stadt nicht verlassen. Ob er wieder hierherkommen will, weiß ich nicht. Aber das hoffe ich. Seine Eltern wohnen in einem Hotel, ziemlich weit weg vom Campus. Und da dachte ich mir... Ich weiß, es war falsch, dass ich ihn in der Abstellkammer einquartiert und meine Privilegien als
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