Mord au chocolat
ich was haben.«
»Alles, was Sie wollen.« Jamie blickt auf. Erstaunt sehe ich Tränen auf ihrem ungeschminkten Gesicht. »Heute Morgen war ich völlig verzweifelt, denn ich wusste nicht, wo ich das Geld hernehmen sollte, um die Kaution für Gavin zu zahlen. Alles werde ich tun. Oh, ich bin Ihnen ja so dankbar, Miss Wells!«
»Wie gesagt – keine Ursache.« Ich setze mich auf den Stuhl neben ihrem. Unglücklicherweise kann ich den Kirschauflauf nicht ignorieren, den Mrs Price mitten auf den Tisch gestellt hat. Da soll er offenbar abkühlen. In einer tiefen Glasschüssel, mit einer karamellisierten Zuckerkruste über den Kirschen. Also wirklich, was für eine dämonische Mom lässt so was dastehen, ohne schützenden Deckel? Kein Wunder, dass Jamie sie hasst. Ich würde sie ganz sicher hassen. »Was mich interessieren würde – Gavin hat mir etwas über Sie und Reverend Mark erzählt. Worum geht’s da?«
»Oh...« Jamies Miene verdüstert sich. »Das sollte er doch für sich behalten.«
»Hören Sie, Jamie, ein Mann wurde ermordet. Und anscheinend glauben Sie, damit hätten Sie irgendwas zu tun. Darüber müssen wir die Polizei informieren. Jemand wurde wegen des Mordes an Dr. Veatch verhaftet – jemand, der es vielleicht nicht getan hat. Wenn es stimmt, was Sie behaupten.«
Jamie kaut an ihrer Unterlippe und inspiziert den Kirschauflauf. Zum Glück habe ich den Löffel aus der Zuckerdose behalten. Für alle Fälle.
Seufzend nippt sie an ihrem Kaffee. »Bevor ich aufs College ging, verlangten meine Eltern, ich müsste ihre Prinzipien befolgen. Das tat ich auch. Weil ich gern singe, trat ich dem Chor der Campus-Jugendgruppe bei. Das will ich nicht professionell machen, nicht so wie Sie, Miss Wells. Ich möchte Buchhalterin werden, ich singe nur zum Spaß. Es war wirklich nett bei diesem Chor – bis Reverend Mark auftauchte.«
Zu meinem Entzücken ergreift sie die Schüssel mit dem Kirschauflauf, zieht sie zu sich herüber, steckt ihren Löffel hinein, und die karamellisierte Kruste bricht auseinander. Wie Lava quillt der dicke Kirschsaft hervor. Jamie füllt einen Löffel und steckt den dampfenden Bissen in ihren Mund. Dann schiebt sie die Schüssel zu mir herüber, und ich folge ihrem Beispiel.
Hallo. Paradies in meinem Mund. Mrs Price mag eine Teufelin sein. Aber in der Küche ist sie ein Engel. »Was hat er Ihnen angetan?«, frage ich mit vollem Mund. Total sexy, dieser Kirschauflauf, würde Gavin sagen.
»Nicht nur mir«, betont Jamie, als ich die Schüssel wieder zu ihr schiebe. »Allen Mädchen. Er macht nichts Offensichtliches.
Zum Beispiel steckt er nie seine Zunge in unsere Hälse oder so. Aber wann immer er eine Gelegenheit findet – jedes Mal, wenn wir die Notenpulte aufbauen, streift er uns mit seinen Armen. Dann entschuldigt er sich und tut so, als wäre es versehentlich geschehen.« Jamie füllt ihren Löffel und gibt mir die Schüssel zurück. »Entweder berührt er unsere Brüste oder unsere Hintern. Einfach krass. Das ist kein Zufall, ich weiß es. Irgendwann wird er zu weit gehen – nicht bei mir, denn ich würde ihm die Nase brechen. Aber bei einem Mädchen, das nicht so groß und stark ist, wird er es probieren. Das will ich verhindern – sofort.«
Ich erinnere mich, wie Mark errötet ist, als Muffy Fowler ihm bei unserem Bastelspiel mit den Zeitungen ihren Busen in die Hand gedrückt hat. Gewiss, das war kein Zufall – aber sie ergriff die Initiative, nicht er. Es hat ihr Spaß gemacht. Ich häufe wieder Kirschauflauf auf meinen Löffel. Jetzt kühlt er schnell ab, weil die Kruste ihn nicht mehr schützt. Trotzdem schmeckt er immer noch köstlich. »Wollten Sie sich bei Dr. Veatch beschweren, Jamie?«
»Das tat ich bereits. Letzte Woche. Dann sollte ich nur noch ein Formular ausfüllen, das Dr. Veatch dem Vorgesetzten des Reverends und dem Kuratorium geben wollte. Nur...«
»Jemand hat ihn erschossen.«
»Genau.«
»Und wieso halten Sie Reverend Mark für den Mörder? Wusste er von Ihrer Beschwerde?«
Jamie zuckt zusammen. Keineswegs, weil sie auf einen Kirschkern gebissen hat. »Da machte ich einen Fehler. Ich wollte ein paar andere Mitglieder veranlassen, ebenfalls eine Beschwerde einzureichen. Ich meine, Reverend
Mark hat uns alle belästigt. Ich dachte, wenn sich mehrere Mädchen über ihn beklagen, wäre es glaubhafter. Wie schwierig so etwas zu beweisen ist, wissen Sie sicher, Miss Wells. Das Problem war nur...«
Als sie zögert, frage ich: »Einigen Mädchen
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