Mord auf der Leviathan
fünfzigtausend Köpfe ab, zerstörte fünfzig Festungen und brach in das Heiligtum ein.
Seine Krieger schändeten den Tempel und kehrten das Unterste zuoberst, konnten aber den Schatz nicht finden. Da trat Mahmud vor den Götzen, holte aus und schlug ihm seine Streitaxt gegen den kupfernen Schädel. Die Brahmanen warfen sich vor dem Sieger zu Boden und boten ihm eine Million Silbermünzen, wenn er ihren Gott verschone. Mahmud lachte und schlug ein zweitesmal zu. Der Götze bekam einen Riß. Die Brahmanen heulten noch lauter und boten dem furchtgebietenden Herrscher zehn Millionen Goldmünzen. Aber die schwere Streitaxt hob sich zum drittenmal, der Götze spaltete sich in zwei Hälften, und nun flossen in einem glitzernden Strom Diamanten und Edelsteine, die in seinem Innern versteckt gewesen, auf den Boden des Tempels. Der Wert dieses Schatzes war in Zahlen nicht ausdrückbar.«
Da verkündete Mr. Fandorin mit etwas verlegener Miene, er habe alles komplett. Alle außer Mrs. Truffo freuten sich schrecklich und wollten auseinanderlaufen, aber sie bat so nachdrücklich um noch eine Partie, daß man bleiben mußte. Wieder tönte es: »Neununddreißig, und dann beiß ich! Siebenundzwanzig, und dann tanz ich!« und ähnlicher Unsinn.
Aber jetzt nahm Mr. Fandorin das Wort und erzählte in seiner sanften, leicht spöttischen Manier ebenfalls ein Märchen, ein arabisches, das er in einem alten Buch gelesen hatte. Ich zitiere Ihnen dieses Gleichnis aus meiner Erinnerung.
Es waren einmal drei maghrebinische Kaufleute, die machten sich auf ins Innere der Großen Wüste, denn sie hatten Kenntnis erlangt, daß es weit weg, mitten in der Sandwüste, wo die Karawanen nicht hinkamen, einen großen Schatz gäbe, wie Sterbliche ihn nie gesehen hätten. Die Kaufleute zogen vierzig Tage dahin, litten unter Gluthitze und Entkräftung, und sie hatten jeder nur noch ein Kamel, die übrigen waren verendet. Plötzlich sahen sie einen großen Berg. Als sie näher kamen,
trauten sie ihren Augen nicht: Der ganze Berg bestand aus Silberbarren. Die Kaufleute priesen Allah. Einer von ihnen füllte seine Säcke mit Silber und machte sich auf den Rückweg, die anderen aber sagten: »Wir ziehen weiter.« Und sie gingen nochmals vierzig Tage, und die Sonne färbte ihre Gesichter schwarz und ihre Augen rot. Und wieder kamen sie zu einem Berg, der war aus Gold. Der zweite Kaufmann rief: »Unsere Leiden haben sich gelohnt. Der Allmächtige sei gepriesen!« Er füllte seine Säcke mit Gold und fragte seinen Gefährten: »Was stehst du untätig da?« Der dritte Kaufmann antwortete ihm und sprach: »Wieviel Gold kannst du schon auf einem Kamel wegbringen?« Der Zweite: »Genug, um der reichste Mann in unserer Stadt zu sein.« – »Das reicht mir nicht«, sagte der Dritte. »Ich gehe weiter, um den Berg aus Diamanten zu finden. Wenn ich dann heimkomme, werde ich der reichste Mann der ganzen Welt sein.« Und er zog weiter, und sein Weg währte nochmals vierzig Tage. Sein Kamel legte sich hin und stand nicht mehr auf, aber der Kaufmann machte nicht halt, denn er war eigensinnig und glaubte an den Diamantenberg, und eine Handvoll Diamanten ist bekanntlich wertvoller als ein Berg aus Silber oder ein Hügel aus Gold. Und eines Tages sah der dritte Kaufmann vor sich ein absonderliches Bild: Mitten in der Wüste stand ein Mensch, tief gebeugt, denn er trug auf seinen Schultern einen Diamantenthron, und auf dem Thron saß ein Ungeheuer mit schwarzer Visage und glühenden Augen. »Wie freue ich mich, dich zu sehen, verehrter Reisender!« krächzte der Gebeugte. »Darf ich vorstellen, das ist Marduf, der Dämon der Habgier, und den Thron wirst du jetzt auf deinen Schultern tragen, bis dich einer ablösen kommt, der ebenso habgierig ist wie du und ich.«
An dieser Stelle brach die Erzählung ab, denn Mr. Fandorin hatte wieder gewonnen, und auch die zweite Bank fiel nicht an
das Geburtstagskind. Gleich darauf saß Mrs. Truffo allein am Tisch, die anderen waren wie vom Wind weggeblasen.
Ich denke dauernd über das Märchen von Mr. Fandorin nach. Es ist nicht so einfach, wie es scheint.
Sweetchild ist der dritte Kaufmann. Als ich das Märchen zu Ende gehört hatte, kam mir die Erleuchtung! Ja, er ist ein gefährlicher Wahnsinniger. In ihm brodelt eine unbezähmbare Leidenschaft – als ob ich nicht wüßte, was das ist. Nicht umsonst folge ich ihm seit Aden wie ein unsichtbarer Schatten.
Ich schrieb Ihnen schon, liebste Emily, daß ich die Liegezeit im Hafen
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