Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
worden.
Frau Professor saß in der zweiten Bank, von ihr wollte Althea unbedingt noch etwas erfahren. Ob Siglinde Servus ausgerechnet einer Nonne Auskunft geben würde, war eine andere Sache.
Sie sah den grauen Haarschopf, weil er ihr das Gesicht nicht zuwandte. Dr. Seidel, der ihr zuerst so erfrischend locker erschienen war, war nun wider Erwarten doch ganz und gar Archivar, und noch etwas anderes. Althea rümpfte die Nase.
Sie setzte sich in eine der hinteren Bänke und schlug das Gotteslob auf. Sie hatte keine schlechte Stimme, würde aber nicht mitsingen.
Der erste Advent, und keine freudigen Gesichter. Es lag nicht daran, dass es keinen großen Adventskalender gab.
Sie bewegte die Lippen, als würde sie beten, aber bei der Sache war sie überhaupt nicht. Stattdessen schaute sie sich in der Kirche um. Auch wenn sie nicht wirklich glaubte, dass sich hier irgendwo das Versteck der Tagebücher befand.
An den Kirchenwänden ließ sie den Blick über die Rotmarmor-Epitaphien der Äbtissinnen wandern, plastische Grabplatten mit Inschriften.
Und da war es. Warum war ihr nie zuvor aufgefallen, dass die Schwestern darauf mit ihren Insignien abgebildet waren? Jede trug ihren Ring.
Welchen Ring hatte Leonie gezeichnet?
Althea beugte sich vor und wäre fast von der Bank gerutscht. Stattdessen rutschte etwas anderes und polterte auf den Steinfußboden. Die Regionalausgaben des Gotteslobs, auf ihrer Seite fünf an der Zahl.
Jadwiga drehte sich um und sah sie missbilligend an.
Althea hob die Bücher auf. »Ich hab’s«, flüsterte sie. Es war Irmengards Ring. Was ihr aber nichts weiter verriet.
Wo befand sich der Ring der seligen Irmengard jetzt? Bei den Reliquien? Die Priorin würde es wissen.
Althea wollte die Kirche als eine der Letzten verlassen, weil Siglinde Servus die Tote zur Fähre bringen musste, und das konnte sie nur, wenn die Gläubigen fort waren.
»Schwester Althea … wie geht’s? Heute schon Radio gehört?« Frau Professor im blauen Anorak hatte sie entdeckt, aber das hatte Althea ja auch gewollt. »Der Sopran der Schwestern tat mir nicht so gut, und die Moderatoren der Radiosendung sind bekannt für ihre schaurigen Geschichten. Was die neuesten Untersuchungs-Methoden angeht … soweit sind Sie doch längst. Können Sie auch schon sagen, ob Leonie Haberl schwanger war?« Althea entschuldigte sich im Stillen für die haltlose Unterstellung.
Zum Glück hörte außer Frau Professor niemand zu. »Eine Schwangerschaft?« Siglinde Servus trat näher. »Warum habe ich den Eindruck, Sie wissen etwas?«
»Weil ich etwas weiß«, bestätigte Althea. Halbwissen. Sie erzählte Frau Professor vom Fund der Antibabypillen.
»Ich konnte Leonie noch nicht untersuchen. Auch wenn das mit den modernen Methoden stimmt, braucht die zur Feststellung einer Schwangerschaft wirklich niemand.«
»Wann haben Sie denn voraussichtlich ein Ergebnis? Es ist wichtig. Falls Leonie Haberl Jungfrau war, könnte es sogar lebenswichtig sein.«
Frau Professor deutete etwas. »Schwanger sein ist aber das totale Gegenteil von jungfräulich.« Sie schaute Althea mitfühlend an, was dieser ein Lachen entlockte.
»Ich war nicht immer Nonne. Dieser feine Unterschied hat sich mir im Laufe der Jahre irgendwann erschlossen.«
»Sie wollen schon wieder was.« Frau Professor kniff die Augen zusammen. Althea hätte nicht sagen können, ob belustigt oder argwöhnisch.
»Also gut, die Schwangerschafts-Jungfrau-Info gibt es für Ihre brauchbaren Fotos. Sobald ich einen intensiveren Blick auf die Tote geworfen habe.«
Althea bedankte und verabschiedete sich. »Kommen Sie gut über den See und grüßen Sie den alten Peter von mir.« Keine Person, sondern der Turm einer Pfarrkirche, ein Wahrzeichen Münchens.
»Die erste Fähre geht in zehn Minuten. Außer der Besatzung werden nur ich und Leonie auf dem Schiff sein. Und vielleicht noch Stefan«, ließ Frau Professor sie wissen. »Schwester Althea … vergessen Sie nicht, dass mir noch ein wichtiges Detail zur Mumie fehlt.«
Wie könnte Althea das vergessen?
Stefan war am Steg, er würde die Fähre nehmen, sicher nicht nur, um Totenwache zu halten, sondern um sein Möglichstes zu tun, Andreas Bacher zu finden. »Wenn es sein muss, werde ich seinen ganzen Freundeskreis abklappern«, sagte er.
»Nicht der allerbeste Zeitpunkt, es ist der erste Advent«, erinnerte ihn Althea. »Mit Valentin könnte ich reden – stellvertretend«, schlug sie vor.
»Mir dir redet er sicher auch lieber als
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