Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
Möglichkeit, an die sie erst überhaupt nicht gedacht hatte. Der Schuppen, den die Gärtnerei als Lager benutzte. Eigentlich viel zu nah, um sich zu verstecken, aber sie würde es erst wissen, wenn sie nachgeschaut hatte.
»Unsere Schuld ist es nicht«, gab Martin zurück. »Wir waren eine Familie. Und das hat er kaputt gemacht.« Es klang unerbittlich.
Das sagte ihr, was sie zu erwarten hatte, er würde nicht mitkommen. »Das heißt, du bleibst lieber hier«, fasste sie seine Andeutung in Worte.
»Es ist gleich halb eins, es stürmt und schneit. Das hat doch keinen Sinn, oder willst du im Graben landen?«
Er würde sie wirklich allein gehen lassen …
Martin fuhr einen Geländewagen und sie einen Fiat. Aber sie wollte ihn nicht bitten. Heidelinde griff nach den Schlüsseln für den Fiat, sie würde den verdammten Kleinwagen schon auf der Straße halten. Mit dem dicken Geländewagen konnte sie ohnehin nicht viel anfangen, damit würde sie tatsächlich im Graben landen.
Sie gab ihrem Mann noch ein wenig Zeit, zögerte das Weggehen hinaus und tat so, als würde sie im Schrank etwas suchen, aber dann machte sie einfach die Tür hinter sich zu und ging in die Nacht hinaus.
Er rief ihr noch etwas nach, aber das verstand Heidelinde nicht mehr.
In der Garage waren die Autos wenigstens nicht der Witterung ausgesetzt, was ihr das Kratzen ersparte. Sie stieg ein und drückte auf der Fernbedienung den Schalter für das Garagentor.
Der Fiat geriet schon ins Rutschen, als sie den kleinen Hügel zur Hauptstraße hinunterfuhr. Die Scheibenwischer fegten den Schnee beiseite, bewältigten aber nur mit Mühe die Menge, die vom Himmel kam.
Sie war allein auf der Straße, das Licht der Scheinwerfer konnte gegen das Wetter nicht viel ausrichten. Es sah gespenstisch aus, so als würde sie ihre Umgebung durch milchiges Glas wahrnehmen.
Den Berg bei der Kirche kam sie kaum hinauf, der Fiat hatte Schwierigkeiten, die Spur zu halten. Heidelinde fuhr fast in der Straßenmitte, nur dass der weiße Streifen ohnehin nicht mehr zu sehen war.
Am Ortsausgang atmete sie ein wenig auf, und jetzt kam ihr auch zum ersten Mal ein anderes Auto entgegen – und noch eins. Beide waren nicht schnell unterwegs, weil das gar nicht möglich war. Dem zweiten kam sie gefährlich nahe, und sie erkannte den Sohn des Bürgermeisters. Im Auto saßen Jugendliche.
Die Gedanken kamen wie der Schnee auf die Frontscheibe auf sie zugeflogen, und eine unbestimmte Furcht überfiel sie. Was, wenn der Sohn des Bürgermeisters und seine Clique auch nach Andreas gesucht hatten?
Sicher wussten sie längst, dass er verdächtigt wurde, und wenn sie es nicht gewusst hatten, hatte es ihnen jemand erzählt.
Woher kamen sie? Hatten sie die gleiche Idee gehabt? Es war zwar nicht allgemein bekannt, aber auch kein Geheimnis, dass der Schuppen am Bach den Bachers gehörte und die Gärtnerei dort schon immer ihr Lager unterhielt.
Vielleicht sah sie tatsächlich Gespenster, und es hatte gar nichts mit Andreas zu tun, dass die Jungen so spät noch unterwegs waren. Sie hatte einige Sekunden nicht aufgepasst und die Straße aus den Augen verloren. Die Reifenspuren verwischten im Nu, und neben ihr waren Grünflächen, keine Bebauung. Auf der anderen Seite begann jenseits von einem schmalen Wiesenstück der Wald. Gerade befand sie sich noch auf der Straße, dann holperte es, und schon drehten die Reifen durch. Der kleine Wagen war über das schmale Bankett geraten und stand in der Wiese, die der Himmel unkenntlich weiß gefärbt hatte.
Das hatte sie jetzt davon, sie musste den Fiat dort irgendwie rausbekommen. Wenn es gar nicht ging, müsste sie Martin anrufen, aber sie wollte es wenigstens versucht haben.
Sie stieg aus und griff sich die Fußmatte. Die würde sie am Hinterrad unterlegen, Gas geben und hoffen, so wieder auf die Straße zu gelangen.
Dort stand sie kurze Zeit später auch. Sie sah die dunkle Matte noch im Weiß liegen und stieg wieder aus, um sie zu holen. Heidelinde hatte alles eingeschaltet, was ihr an Beleuchtung zur Verfügung stand, auch die Nebelscheinwerfer, und die zeigten ihr jetzt am Waldrand gegenüber etwas, was sie zuerst für ein verletztes Tier hielt. Es konnte noch nicht lange dort liegen, der Schnee hatte es noch nicht zugedeckt. Sie stieg erneut aus, ließ aber den Motor laufen und stapfte über das Stückchen gefrorene Wiese.
Was dort am Waldrand zwischen heruntergefallenen Zweigen, Tannenzapfen und gefrorenem Gestrüpp lag, war kein
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