Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
beeilt, das Altargitter zu verschließen, den Schlüssel zurückzuhängen und zu verschwinden. Im Gang hatte Stefan auf sie gewartet. »Nur zur Sicherheit«, hatte er geflüstert und die Hand ausgestreckt. Althea hatte Irmengards Ring hineingelegt. Inzwischen wahrte auch ihr Neffe so einige Geheimnisse.
Jadwiga hatte sie beim Frühstück noch einmal daran erinnert, Dr. Seidel im Archiv zu assistieren. So wurde es formuliert, weil der Erwähnte am Tisch saß und mithörte.
Genau das würde Althea aber zu umgehen wissen. Es gab bestimmt gar nichts, wobei sie Augustin Seidel assistieren konnte. Vermutlich wäre er sogar froh, das Archiv und seine Dokumente für sich zu haben. Sie konnte aber ein paar Nachforschungen anstellen, in klösterlicher Mission. Ein Geheimnis zu wahren machte nur Sinn, wenn man es kannte. Schwester Zeta hatte bestimmt gewusst, wo sich das Versteck der Äbtissinnentagebücher befand.
Gleich nach dem Frühstück verschwand der Archivar; er war ihr ziemlich entspannt vorgekommen und nicht wie jemand, der etwas zu verbergen hatte. Doch gerade diese Unaufgeregtheit kam Althea seltsam vor. Er sah zufrieden aus, wo er zuvor noch am Boden zerstört gewesen war, über Leonies Tod.
War diese Wandlung nicht verräterisch?
Sie dachte noch darüber nach, als sie bemerkte, dass die Tür zum Seminarraum offen stand. Althea mochte eines gar nicht – Vorträge, und sie wollte gerade möglichst unauffällig vorbeigehen, als ihr Blick auf Karl Lichtenfels fiel, der dort drinnen hantierte.
Es war eine interessante Begegnung, denn Althea hatte nichts von der Anwesenheit des Historikers im Kloster gewusst.
Lichtenfels hatte eine Staffelei aufgebaut und daneben einen kleinen Klapptisch mit Farben, Tinkturen und allerhand Werkzeugen.
Die Priorin wollte offenbar das Gemälde der seligen Irmengard restaurieren lassen. Jadwiga hatte es wohl nicht weiter erwähnenswert gefunden. Unglücklicherweise sah man den Ring darauf ganz prächtig abgebildet. Oder fiel das nur Althea auf?
Auf einem anderen Tisch lagen mehrere Ausdrucke, die Details des Gemäldes zeigten. Einen davon erkannte Althea wieder.
Welch ein Glück, dass ein Fachmann bereits vor Ort war, der nicht eigens um einen Termin gebeten werden musste.
Dabei hatten sie doch schon einen Schnüffler im Kloster. Althea wusste, das war unfair, denn Karl Lichtenfels war um vieles sympathischer als Dr. Seidel.
Er war gerade dabei, die Leinwand vom Keilrahmen zu lösen.
Das Auge registriert eine Bewegung, auch wenn sie nicht schnell erfolgt und man die Person nur schattenhaft wahrnimmt.
»Schwester Althea?«, fragte der Historiker. »So schüchtern? Oder sind Sie überrascht?«
»Wenn ich Sie erschrecke, das Messer in Ihrer Hand abrutscht und in die Leinwand schneidet, bin ich schuld«, erklärte sie ihre Zurückhaltung.
»Am schmerzlichen Tod der seligen Irmengard«, sagte Lichtenfels.
»Sie sind wirklich erfrischend!« Althea lachte.
»Wie ist sie denn tatsächlich gestorben?«, wollte er wissen. Ein Historiker wüsste alles, hatte sie geglaubt. Gut, das wusste er eben nicht.
»Es ist von einem frühen Tod die Rede, sie war dreiunddreißig Jahre alt«, gab Althea Auskunft.
»Eine Klosterschwester hat keine Besitztümer, wenn ich das richtig verstanden habe. Gab es denn etwas, das ihr gehört hat und das noch heute in der Abtei aufbewahrt wird? Vielleicht birgt ihre Person ein Geheimnis. Oder alle Äbtissinnen von Frauenwörth teilen eines.«
»Die Geheimnisse, sollte es sie gegeben haben, dürften schon längst gelüftet worden sein«, gab Althea locker zurück.
»Tatsächlich? Ich weiß nicht, aber in einer alten Familienbibel stand etwas über die frommen Frauen vom Chiemsee, und dass sich unter ihnen eine befindet, die für die Wahrung der Geheimnisse zuständig ist.«
Althea erstarrte. Wie konnte jemand davon gewusst haben? Vor allem, wann hatte die- oder derjenige es gewusst?
»Eine alte Familienbibel?« Althea wollte nicht so klingen, als wollte sie darüber mehr erfahren, doch wahrscheinlich sah man es ihrer Kopfhaltung an. Und Karl Lichtenfels erzählte bereitwillig.
»Das wurde gar nicht so selten praktiziert. Einer Bibel vertraute man einiges an, sie weckte keinen Verdacht. Und diese gehörte einer Dienstbotin, sie war das Geschenk der damaligen Äbtissin an die junge Frau und ihre Familie. Sie lernte sogar Latein im Kloster, und in dieser Sprache sind auch ihre Eintragungen verfasst. Für die Familie waren sie auf diese Art nicht
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