Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
wiedergutmachen.«
»Was hätte sie wiedergutmachen sollen?«, fragte Haberl, und sein Ton klang schon wieder ein ganzes Stück angriffslustiger.
»Die vermeintliche Schuld einer Vorfahrin?«, half ihm Stefan auf die Sprünge.
»Ach, diese Hexengeschichten. Das ist unangenehm, sicherlich, aber das betraf etliche Familien. Außerdem, nicht selten waren die Anschuldigungen aus eben der Luft gegriffen, durch die die Hexen angeblich auf ihren Besen flogen, oder der Anlass dazu waren Neid, Missgunst und noch einiges andere«, antwortete er wegwerfend. »Wer würde da heute noch was drauf geben?«
Ihm schien plötzlich etwas einzufallen. Ein Muskel in seinem Gesicht zuckte, und für einen kleinen Moment überlegte er, ob er damit herausrücken sollte. Stefan wartete.
»Karl Lichtenfels hat vor einiger Zeit einen sonderbaren Verdacht geäußert«, begann er dann vorsichtig. »Es ging dabei um die Graböffnung der Seligen. 1922 ließ der damalige Kardinal von Faulhaber das Irmengard-Grab noch einmal öffnen. Lichtenfels sagte, er sei durch einen unglaublichen Zufall auf ein Schriftstück gestoßen, in dem von Faulhaber den Diebstahl des Irmengard-Rings bezeugt. Es kämen nur zwei Personen in Frage, die zu dieser Zeit Zugang zu den Reliquien der Seligen gehabt hätten, eine Ordensschwester und ein Restaurator vom Landesamt für Denkmalschutz.«
Stefan bekam allmählich eine Ahnung, worauf das hinauslaufen würde.
»In seiner Beschreibung des Rings taucht ein Detail auf, das der Ring, den die Selige augenblicklich trägt, nicht aufweist, und im Nachlass des Restaurators wurde jetzt angeblich dieses Schmuckstück gefunden. Das hat er mir erzählt – und Leonie war dabei. Wenn er …« Haberl schluckte, sein Kopf verneinte es immer wieder. Die Vorstellung schien für ihn wie ein Schlag ins Gesicht zu sein.
»Er könnte Leonie gesagt haben, die Selige müsste ihren Ring zurückbekommen, ohne viel Aufsehen, niemand dürfte davon erfahren. Es müsse ein Geheimnis bleiben.«
Eine böswillige Täuschung. Stefan konnte sich Leonies Verzweiflung vorstellen. Sie musste etwas gehört und begriffen haben, dass die Geschichte gelogen war.
»Der verfluchte Mistkerl. Etwas für ihr Kloster tun zu können, hätte unsere Leonie glücklich gemacht.« Patrick Haberl verbarg sein Gesicht in den Händen, sodass Stefan den letzten Satz nur noch undeutlich hörte.
* * *
Es war zehn Uhr abends, als Jadwiga bei Schwester Althea anklopfte. Der Kriminalkommissar hatte einige Male angerufen, doch man hatte sie den ganzen Tag nicht gesehen. Vielleicht ging es ihr nicht gut, meinte Jadwiga, möglich, dass der Schlag auf ihren Kopf Folgen gehabt hatte. Man hörte ja immer wieder davon.
Doch im Zimmer rührte sich nichts. Sie öffnete die Tür. Niemand war hier.
Wo konnte sie sein? Womöglich irrte sie draußen umher! Alles war denkbar, und jetzt war es stockdunkel. Sie hatte die Tür gerade wieder geschlossen, als eine der Schwestern verkündete, Susanne sei weg. Jadwiga verstand die Welt nicht mehr. Beide waren weg?
»Wir brauchen Helfer und Lampen«, sagte Jadwiga. »Wir werden Susanne suchen und auch Schwester Althea.« Ihre Stimme klang belegt.
Valentin war nicht aufzufinden, was bedeutete, er war mit dem Boot unterwegs, doch der Historiker und Dr. Seidel schlossen sich den Schwestern an.
Jadwiga musste an ihre letzte Suche auf der Insel denken, sie betete darum, diesmal keinen leblosen Körper entdecken zu müssen. Althea war eigensinnig und widerborstig, aber sie behielt einen kühlen Kopf. Und auch wenn die Priorin in ihr manches Mal noch Marian Reinhart sah, so riss sie doch nicht aus, um sich mit einem Mann zu vergnügen. Es musste etwas Ernstes sein, und genau darum machte sie sich Sorgen.
Wieder teilten sie sich auf, in jede Himmelsrichtung ging eine kleine Gruppe. Einige riefen abwechselnd nach Susanne, dann wieder nach Althea. Jadwiga schüttelte den Kopf, das machte keinen Sinn. Wie sollte sich jemand bei dieser Lautstärke Gehör verschaffen.
Jadwigas Gedanken kreisten um Leonies Ermordung. Sie hatte nicht genug auf das Mädchen geachtet und schlimmer noch, sie hatte auch Andreas Bacher nicht als gefährlich eingeschätzt. Das passierte, wenn man mit der Welt vor den Klostermauern zu wenig vertraut war, musste sie sich eingestehen. Jadwiga gelobte, nie wieder ein Wort zu sprechen, wenn Susanne Dahm etwas zugestoßen sein sollte.
Ihr Verstand zeigte ihr wieder das grausige Bild von Leonies Leichnam, der halb im
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